Worte zum Sonntag

Prise zum Sonntag

Ralf Haunert Sonntag, 27. Februar 2022 von Ralf Haunert

Was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?

Gibt es Dinge, die wichtig genug sind, daß man für sie einstehen muß, ohne Wenn und Aber und komme, was da wolle?

31 Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muß viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. 32 Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. 33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.

34 Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 35 Denn wer sein Leben behalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's behalten. 36 Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele? 37 Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? 38 Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln. (Mk. 8,31-38)

I.

Der Apostel Petrus kommt auch an dieser Stelle mal wieder nicht gut weg. Er erscheint auch hier, ganz so, wie die Evangelien es ihm sogar wiederholt bescheinigen, als einer, der die Sache nicht begriffen hat. Vielleicht auch nicht begreifen will.

Dabei ist seine Reaktion auf Jesu Leidensankündigung doch eine sehr nachvollziehbare, eine sehr natürliche, möchte man meinen.

Jesus konfrontiert seine Jünger damit, daß ihn in Jerusalem, wohin zu gehen er sich anschickt, der Tod erwartet.

In eine konfrontative Dynamik kommt diese Szene dabei insbesondere auch durch das, was unmittelbar davor geschehen ist.

Petrus und die anderen Jünger mit ihm sind als Weggefährten Jesu Zeugen von mancherlei Wundern und anderen denkwürdigen Begebenheiten geworden. Das hat sich in ihnen zu der Überzeugung verdichtet, daß es mit Jesus tatsächlich die besondere Bewandtnis habe, die sie offenbar unterstellt haben, als sie sich von ihm in die Nachfolge haben rufen lassen, d.h. als sie den Entschluß gefaßt haben, ihr Zuhause zu verlassen, um ihn auf seinen Wanderungen durchs jüdische Land zu begleiten.

Diese Erlebnisse  sind gerade darin gegipfelt, daß Petrus es als erster überhaupt ausspricht, wer dieser Jesus in Wahrheit ist: Du bist der Christus Gottes!

Ein Moment höchster spiritueller Einsicht sozusagen. Und direkt danach kommt es zu dieser Konfrontation zwischen Jesus und Petrus, die in ihrer – auch – rhetorischen Schärfe (Geh weg, Satan!) eigentlich nicht mehr steigerungsfähig ist.

Der rhetorischen Schärfe entspricht ein Dissens in der Sache.

Petrus macht sich offenbar falsche Vorstellungen von seinem Christus. Sehr menschliche Vorstellungen.

Es geht dabei auch um die Frage, ob es Dinge gibt, die wichtig genug sind, daß man für sie einstehen muß, ohne Wenn und Aber und komme, was da wolle.

II.

In den Diskussionen um die Ukraine-Krise, die uns seit Wochen und Monaten beschäftigt und beschwert und die sich in den vergangenen Tagen von einer Krise in einen Krieg verwandelt hat, in den Diskussionen darum, wie der Westen auf die russische Aggression reagieren solle, wurde bei uns in Deutschland und anderswo von verschiedenen Seiten auch auf die Lehren aus der Vergangenheit rekurriert. Bei uns vertraten die einen den Standpunkt, Deutschland solle auf keinen Fall Waffen an die Ukraine liefern. Allgemein, weil Waffenlieferungen in Konfliktgebiete eskalierende Wirkung hätten. Und im speziellen, weil deutsche Waffen im Raum der ehemaligen Sowjetunion schon gleich gar nichts zu suchen hätten – wegen des Vernichtunsgkrieges, mit dem Nazideutschland die Sowjetunion überzogen hatte.

Andere haben, wie ich finde, nicht völlig zu Unrecht, darin eine verkehrte Logik am Werk gesehen. Eine verkehrte Logik, die zwischen Aggressor und von Aggression Bedrohtem keinen Unterschied erkennen kann oder will.

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine historische Parallele gezogen und an die Frage: „Mourir pour Dantzig?“ erinnert, in der die Diskussionen in den westeuropäischen Staaten kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs eine entlarvende Zusammenfassung erhalten hatten.[1] Mourir pour Dantzig? Sterben für Danzig?, so fragte eine französische Zeitung im Mai 1939. Als ob da nicht längst schon klargewesen wäre, daß es um weit mehr ging als um die Freie Stadt Danzig.

In der Tat: Was bedeuten Bekenntnisse zur Souveränität und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, was bedeuten Appelle für den Frieden, wenn sie nicht von der Entschlossenheit gedeckt sind, diese Dinge im Ernstfall verteidigen zu helfen? Wer will es deshalb den Letten, den Balten, den Esten oder den Polen verdenken, wenn sie in den letzten Tagen ihrer Sorge Ausdruck gegeben haben, wieviel gerade deutsche Beistandsversprechen wert sind?

Bundeskanzler Scholz hat bei seinem Besuch in Moskau vor knapp zwei Wochen gesagt, Krieg in Europa sei für uns ganz unvorstellbar geworden. Und wir müßten daran arbeiten, daß dies so bleibt.

Doch das hat da ja schon gezeigt, daß er erschreckenderweise eben nicht mehr ganz so unvorstellbar, sondern in den Bereich dessen gerückt war, was man sich als Worst-case-Szenario, also wenn die Diplomatie versagt, zumindest wieder vorstellen können mußte. Es wäre Realitätsverweigerung gewesen bzw. es war Realititätsverweigerung, dies nicht zu tun. Ich fürchte, wir als Gesellschaft und auch wir als Kirche müssen in diesen Fragen erst noch einen Standpunkt finden, der den komplizierten Realitäten im 21. Jahrhundert tatsächlich gerecht wird.

III.

Gibt es Dinge, die wichtig genug sind, daß man für sie einstehen muß, ohne Wenn und Aber und komme, was da wolle? Diese Frage steht – zugegebenermaßen IN GANZ ANDERER ABSCHATTUNG als bei dem, worum es eben ging – auch im Zentrum des Konflikts zwischen Jesus und Petrus.

Petrus will Jesus davor bewahren, daß das eintritt, was dieser gerade als sein Geschick angekündigt hat. Mehr noch: Petrus glaubt nicht daran, er findet es unvorstellbar, eine unvorstellbare Zumutung, daß das, was Jesus angekündigt hat, das Geschick desjenigen sein könnte, den er seinerseits gerade als den Christus Gottes, Gottes Erwählten, identifiziert hat.

Leidensgeschick und Erwählungsgeschick, für Petrus geht das nicht zusammen. Für Jesus hingegen steht die Wahrheit auf dem Spiel: die Wahrheit dessen, wofür er mit seiner Verkündigung steht; für ihn steht auf dem Spiel, wer er in Wahrheit ist. Er weiß, daß ihn das in einen Konflikt mit den Mächtigen hineintreibt. Er ist Realist genug, um zu wissen, daß er in diesem Konflikt nach menschlichen Maßstäben unausweichlich den kürzeren ziehen wird. Dennoch ist er der Überzeugung, sich diesem Konflikt nicht entziehen zu können, d.h. zu dürfen, wenn er der Wahrheit, wenn er dem, dem er mit seiner Verkündigung dient, treu bleiben will. Er muß seinen Weg gehen, den Weg nach Jerusalem.

Petrus versucht, Jesus von seinem Weg nach Jerusalem abzubringen. Er wehrt Jesus, so übersetzt Luther Petrus‘ Versuch einigermaßen zahm. Der Evangelist Markus selbst deklariert Petrus‘ Einwendungen plastischer und drastischer. Wenn man verstehen will, was Petrus da Markus zufolge tut, muß man sich (auch dieses Mal wieder) das Wort anschauen, das im griechischen Urtext steht: ἐπιτιμάω. Das bedeutet soviel wie anfahren/anherrschen, jemandem den Kopf waschen/den Marsch blasen. Der Evangelist Markus gebraucht ἐπιτιμάω z.B. im Zusammenhang der Dämonenaustreibungen, die Jesus vornimmt.

Und wenn Markus also hier nun Petrus‘ Einwendungen, mit denen dieser Jesus davon abzuhalten versucht, den Weg nach Jerusalem zu gehen, gerade mit diesem Wort – ἐπιτιμάω – belegt, dann bereitet er damit die scharfe Erwiderung Jesu schon vor und will zeigen, daß sie nichts als angemessen ist: Markus läßt Jesus Petrus‘ Einwendungen als eine geradezu dämonische Versuchung empfinden: Geh weg Satan, was Du willst, ist nicht göttlich, sondern menschlich. Ja, schlimmer noch, es ist nicht einmal bloß menschlich geredet und gedacht, es ist vom Teufel!

IV.

Was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?

Es gibt Dinge, die kann man nicht tun, ohne daß die Seele Schaden nimmt. Und es gibt Dinge, die kann man nicht nicht tun, sonst nimmt die Seele Schaden.

Jesus kann nicht nicht nach Jerusalem gehen. Er kann dem Konflikt nicht ausweichen. Ist es doch genau das: die Art und Weise, wie er die Menschen Gott sehen gelehrt hat, was ihn in Schwierigkeiten gebracht hat. Welchen Eindruck würde das machen? Den, als wäre es ihm damit, wie er die Menschen Gott sehen gelehrt hat, nicht voller Ernst gewesen, als würde er es selbst nicht für eine Wahrheit halten, die es wert ist, zu ihr zu stehen. Nicht nach Jerusalem zu gehen, dem tödlichen Konflikt, der ihn dort erwartet, auszuweichen, wäre, so sieht Jesus selbst die Sache, Verrat, Verrat an Gott.

Das ist kein Fanatismus, es ist auch kein Fatalismus, sondern entspringt genau der Einsicht, daß es eben Dinge gibt, die so wichtig sind, daß man dafür einstehen muß, ohne Wenn und Aber und komme, was da wolle. –

V.

Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

Zugleich spiegelt sich in der Auseinandersetzung zwischen Jesus und Petrus die Situation der ersten Christen. Gibt es Dinge, die wichtig genug sind, daß man dafür einstehen muß, ohne Wenn und Aber und komme, was da wolle? Vor dieser Frage standen auch sie. Christ zu sein bedeutete, eine Menge zu riskieren. Möglicherweise sogar das eigene Leben. Ohne daß diese ersten Christen in der Nachfolge Jesu das getan hätten, wäre das christliche Abendland, unsere vom Christentum geprägte Kultur, niemals entstanden. Ohne diese ersten Christen gäbe es das alles hier (Geste, die das Kirchenschiff umfaßt) nicht.

Was sie getragen hat, war der Glaube an den Gekreuzigten und Auferstandenen. Der Glaube, daß die Art und Weise, wie Jesus die Menschen Gott sehen gelehrt hat, die Wahrheit über Gott ist, und daß die Wahrheit am Kreuz nicht totzukriegen war.

VI.

Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. [...] Was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?

Wahr ist auch: So wie das ursprünglich gemeint ist, nämlich als eine Aufforderung, in seinem Glauben standhaft zu sein in der Situation der Verfolgung,  spricht dies zu uns hier – anders als zu Christen in anderen Teilen der Welt, für die Ausgrenzung und Verfolgung aufgrund ihres Glaubens eine bittere Realität ist – gegenwärtig nicht unmittelbar und direkt.

Aber die Frage, ob es Dinge gibt, die so wichtig sind, daß man für sie einstehen muß, ohne Wenn und Aber und komme, was da wolle, sie treibt mich in diesen Tagen in ganz besonderer Weise um, als Mensch und als Christ. –

Ob das Kreuz Jesu dabei helfen kann, einen Standpunkt zu finden, der den komplizierten Realitäten im 21. Jahrhundert tatsächlich gerecht wird?

Das Kreuz ist ja keine politische Maxime, und es läßt sich auch nicht einfach in politische Maximen transponieren: Jesus hat am Kreuz das Unrecht ausgehalten. Gerade so ist er Gott treu geblieben. Unrecht auszuhalten, ist nicht die Aufgabe von Politik. Aber wenn sie sich dem Frieden, dem Recht verpflichtet weiß (auch indem sie beides verteidigt), ist sie der Grundaufgabe treu, die sie hat – und auf ihre Weise, würde ich sagen, dient sie so auch Gott.

Wenn das Kreuz deshalb überhaupt irgendeinen Standpunkt deutlich macht, dann ist es der Standpunkt Gottes in der Welt: Mit dem Kreuz Jesu stellt er sich auf die Seite derer, die aushalten müssen. Auf die Seite derer, die Unrecht erfahren, leiden, sterben.

Eine Politik, die das Gegenteil heraufbeschwört, auf wessen Seite steht die? –

Es ist seit alters gottesdienstliche Sitte – die sich übrigens schon aus den Zeiten der Christenverfolgungen herschreibt –, für die Regierenden (die „Obrigkeit“) zu beten, um Einsicht und Weisheit, daß sie es als die Grundaufgabe von Politik begreifen, dem Frieden und dem Recht zu dienen, und in diesem Sinne handeln.

So wollen wir gerade heute für die Regierenden in Ost und West um Einsicht und Weisheit beten. Die Welt hat es nötig, daß darum für die Regierenden auch gebetet wird. Darum schließen wir in unser Gebet für die Regierenden um Einsicht und Weisheit auch den Herrscher im Kreml ein, der sich ja selbst als Christ bezeichnet. Auch er hat Einsicht und Weisheit nötig, sogar in höchstem Maße.

Amen

Prise zum Sonntag

Ralf Haunert Sonntag, 13. Februar 2022 von Ralf Haunert

Vom Selbstwert bis zum Stolz

Du sollst Dich nicht rühmen!

22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. 23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich kenne, daß ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.   (Jer. 9,22-23)              

I.

Da hätten wir also – mal wieder – eine prophetische Mahnung gehört, wie sie im Buche steht...  Du sollst Dich nicht rühmen! Der Weise nicht seiner Weisheit, der Starke nicht seiner Stärke, der Reiche nicht seines Reichtums.

Das klingt auch deswegen so biblisch-prophetisch, weil die gewählten Begrifflichkeiten den unverkennbaren Sound der „Sprache Kanaans“ haben. Es ist eine Sprache, der anzuhören ist, daß sie von weither kommt. Aus den Tiefen der Geschichte.

Das fängt mit dem Sich-Rühmen an.

Klar, das Wort „Ruhm“ ist als solches noch gängig. Und richtige Berühmtheiten gibt es auch heute noch. Und Wege zum Ruhm – wenigstens zu den fünfzehn Minuten (15 minutes of fame, die nach Andy Warhole für jedermann einigermaßen in Reichweite liegen) – stehen in Zeiten von „Big Brother“, „Deutschland sucht den Superstar“ und „Germany´s next Top-Model“ auch Cindy aus Marzahn, Cedric aus Mainz oder Doreen aus Mecklenburg offen. Auf Youtube kann man sogar noch leichter zu seinen fünfzehn Minuten Ruhm kommen.

Aber „Der/Die rühmt sich!“, das sagt heute ja keiner mehr. Trotzdem ist klar, was Jeremia meint: Es geht ums Auf-den-Putz-Hauen. Der/Die bildet sich ganz schön was ein.

Wobei das ja schon eine Negativwertung einschließt:

Wer sich ganz schön was einbildet, hat bei nüchterner Beurteilung eigentlich nicht so besonders viel Grund, das zu tun.

Neutraler wäre also vom Stolzsein zu reden: Du sollst nicht stolz sein!

So klingt Jeremias Mahnung irgendwie aber fatal...

Lassen wir unberechtigten Stolz jetzt mal beiseite. Es gibt ja aber eben auch berechtigten Stolz. Was soll an dem verkehrt sein?

II.

Vielleicht kommen wir an der Stelle etwas weiter, wenn wir uns jetzt erst einmal die konkreten Beispiele für „Sich-Rühmen“ genauer anschauen, die der Prophet Jeremia gibt: Weisheit, Stärke, Reichtum.

Fangen wir der Einfachheit halber hinten an, mit dem Geld.

Über Geld spricht man nicht, Geld hat man, heißt es. Das ist freilich eine Haltung, die man sich erst mal leisten können muß.

Wer kein Geld hat, spricht zumeist auch nicht so gern darüber.

Gerade Armut wird zumeist ja versteckt, so gut das halt geht. Scham spielt da eine Rolle:

Es gibt Leute, die gehen nicht zur Tafelausgabestelle, weil sie Sorge haben, in der Warteschlange von jemandem, der sie kennt, gesehen zu werden.

Bei reichen Leuten hingegen scheint es eher eine Frage von Stilsicherheit zu sein, daß man den eigenen Reichtum nicht direkt versteckt, ihn aber in der Selbstdarstellung nach außen diskret handhabt.

Doch das ist etwas, das über Generationen erlernt und eingeübt sein will. Neureichen wird ja – wohl auch in vielen Fällen nicht ganz zu Unrecht – nachgesagt, daß sie das mit der diskreten Handhabung ihres Reichtums noch nicht so draufhaben. Es wird gesagt, daß neues Geld tendenziell eher in der Form des Protzens daherkomme als altes. Wie immer bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel.

(Gleichwohl kann sich ein Selfmade-Millionär (der, der, wie das Klischee es will, als Tellerwäscher oder auf vergleichbarer Stufe angefangen hat), sich ja zumindest subjektiv vielleicht auch wirklich berechtigter zum Stolzsein fühlen, als jemand, der ererbte Millionen besitzt.)

Man könnte zu dem Schluß kommen, daß es ein Zeichen einer gewissen Weisheit ist, die mit dem Älterwerden von Reichtum kommt, daß protziges Verhalten die Spannungen, die sich aus sozialer Ungleichheit ergeben, nur noch steigert, weshalb es durchaus im wohlverstandenen Eigeninteresse der Reichen liegt, ihren Reichtum eben nicht zu sehr zur Schau zu stellen: „haben, als hätte man nicht“, gewissermaßen (cf. 1. Kor. 7,29ff).

Hinter der Tugend der Bescheidenheit kann sich also unter Umständen auch ein kalkulierter Egoismus verbergen, so daß man statt von Weisheit in diesem Zusammenhang wohl besser von Raffinesse sprechen wird.

Doch eines ist der Prophet Jeremia ganz gewiß nicht, wenn man sich seine Verkündigung betrachtet: ein PR-Agent bürgerlicher Besitzstandswahrung und Fürsprecher des Charmes des Diskreten.

Jeremia faßt die soziale Ungleichheit seiner Zeit scharf ins Auge. Sein Problem ist nicht, daß die Armen ihre Armut zu sehr vorgeführt bekommen, wenn die Reichen zuviel Wesen von ihrem Reichtum machen. Sein Problem ist, daß es diese Ungleichheit in so krasser Form überhaupt gibt. Sein Problem ist, daß den Reichen die Armen schlicht egal sind und sie sich damit auch noch im Recht fühlen. Und er protestiert dagegen im Namen Gottes.

Damit komme ich zur Weisheit im allgemeinen. Ich finde es, offen gestanden, nicht ganz schlüssig, wenn Jeremia die Weisen davor warnt, sich auf ihre Weisheit etwas einzubilden. Denn weise zu sein, bedeutet das nicht im besonderen auch, erkannt zu haben, daß man vielleicht nicht ganz so ein toller Hecht ist, wie man immer geglaubt hatte, bevor man in das Stadium des Weiseseins eintrat?

Weisheit hat zumindest für mein Verständnis unbedingt auch mit dem Skeptischgewordensein hinsichtlich der Berechtigung von Selbstruhm zu tun. Und so sehe ich in Jeremias Mahnung an die Weisen eine, die sich an Kluge richtet, die sich ihrer Klugheit sehr, sehr bewußt sind und die ihre Klugheit immer wieder in die Gefahr geraten läßt, zu Neunmalklugen zu werden. – Wer anderen vorkommt, als hätte er die Weisheit mit großen Löffeln gegessen, der kommt ja ganz und gar nicht als wirklich Weiser rüber...

Und schließlich die Stärke: Als die alten Männlichkeitsideale noch (etwas) galten, ging es bei Stärke oftmals ganz simpel um Körperkraft. Kräftemessen in Form des Armdrückens ist heute endgültig eher etwas für Halbstarke, scheint mir. Aber um Können – also darum, wer mehr kann –, um Macht und Einfluß geht es heute ja wie eh und je.

Nicht nur als PR-Agent für Reiche, auch als Coach für Bewerbungsgespräche scheidet Jeremia jedenfalls aus. „Wo sehen Sie Ihre besonderen Stärken?“, gehört da ja zu den nahezu unausweichlichen Standardfragen. Ein Bewerber, der darauf so gar keine Antwort wüßte, könnte auch gleich zu Hause bleiben.

Selbstverständlich wird in Bewerbungsgesprächen mittlerweile standardmäßig auch nach den Schwächen gefragt. Aber dabei gibt es einen Trick. Der Trick ist, daß man von seinen Schwächen so redet, daß sie sich unter der Hand in Stärken verwandeln. Wer es schlau anfängt, der kann gerade dadurch, daß er sich, scheinbar unbefangen, zu den richtigen Schwächen bekennt, zusätzlich punkten, präsentiert er sich doch als in wohltuender Weise selbstreflektiert.

Gerühmt muß werden!, um einmal den Apostel Paulus zu zitieren (2. Kor. 12,1).

Das Spiel nicht mitzuspielen, ist einfach keine Option, wenn man den Job will.

(Das soll ja im übrigen sogar für Pfarrer gelten, wenn sie sich bei irgendeiner Gemeinde bewerben...)

III.

Was soll an berechtigtem Stolz falsch sein, diese Frage hatte ich aufgeworfen, bevor wir uns den konkreten Beispielen zugewandt haben, die der Prophet Jeremia bringt.

Vielleicht aber war die Frage falsch gestellt. Vielleicht dreht sich die Sache bei Jeremia gar nicht um unberechtigten Stolz versus berechtigten – da gehen die Ansichten nebenbei bemerkt ja naturgemäß auch immer auseinander, ob jemand zu recht oder Unrecht stolz auf sich ist –, sondern darum, daß es zum Menschsein gehört, auf etwas, und das heißt im letzten dann immer auf sich stolz sein zu wollen. Daß man das braucht im Sinne des Selbstwertgefühls. – Gerühmt muß werden!, wie Paulus sagt. Und Paulus sagt dies übrigens mit direktem Bezug auf das Wort aus dem Jeremiabuch, das wir heute vor uns haben.

Jeremia wäre also auch mißverstanden, wenn man ihn zum Kronzeugen des preußischen „Mehr sein als scheinen“ machen würde.

Jeremia erkennt es, so wie ich das sehe, den menschlichen Drang nach Selbstwertgefühl durchaus als ein legitimes Wollen an, den menschlichen Drang, auf etwas/sich stolz sein zu wollen.

Was er tut, ist, diesem Wollen eine Richtung zu weisen, in der das Selbstwertgefühl abseits von Klugheit, Stärke, Geld und allen möglichen anderen Dingen, die man so für die eigene Selbstwertermittlung in Anschlag bringen kann, eine Basis findet.

IV.

In dem neuen Roman „Vernichten“ des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq, der vor ein paar Wochen auf Deutsch erschienen ist und von einem 50-jährigen Mann handelt, der erfährt, daß er sehr bald an Krebs sterben wird, läßt der Autor den behandelnden Arzt dieses Mannes sagen: „Ich darf behaupten, dass ich viele reiche Menschen habe sterben sehen, und glauben Sie mir, in diesen Momenten spielt es keine große Rolle mehr, ob man reich ist.“[1] –

Jeremia sagt: [W]er sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich kenne, daß ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.

Auf der gleichen Argumentationslinie bewegt sich auch Paulus: Gerühmt muß werden!

Wer sich aber rühmt, der rühme sich des Herrn! (2. Kor. 10,17).

Wohlgemerkt: Weder der Prophet Jeremia noch der Apostel Paulus sagen an dieser Stelle einfach „Glaube“. (Wobei ich zugebe, Paulus sagt es womöglich noch etwas klarer nicht als Jeremia.)

Einfach den Glauben an die Stelle von Klugheit, Stärke, Geld zu setzen, um diesen zur Quelle des eigenen Selbstwertgefühls zu machen, das bringt es freilich auch nicht. Das muß man denen – und auch die gibt es ja – kritisch entgegenhalten, die sich auf ihren Glauben etwas einbilden zu sollen meinen. Weil so der Glaube ja auch nur zu etwas werden würde, das ich machen muß. Glaube, also echten Glauben, kann man aber noch weniger machen als alles andere.

Die Quelle meines Selbstwerts ist in der Perspektive des Glaubens nicht mein Glaube, sondern GOTT. Als der Schöpfer, Bewahrer und Vollender meines Lebens.

Jeremia und Paulus mit ihm reden einem in Gott begründeten Wert menschlichen Lebens das Wort, von dem auch die Momente umgriffen sind – und das sind so gesehen wohl die entscheidenden –, in denen Klugheit, Stärke, Geld und all diese Dinge, auf die wir als Selbstwertermittlungsstrategien so zurückgreifen, keine Rolle mehr spielen.

Und da heute ohnehin soviel vom Stolz zu reden war, zum Schluß eine Frage, die ich dem geneigten Hörer mit auf den Weg geben will; eigentlich mindestens ebensosehr eine Frage an jene, die stolz darauf sind und es für das Gütesiegel jeder wahrhaft humanistischen Gesinnung halten, sich selbst bzw. den Menschen als Mensch ohne Gott zu denken:

Welcher Wert menschlichen Lebens bleibt unterm Strich, d.h. bei ehrlicher Betrachtungsweise begründbar, eigentlich da übrig, wo der Mensch ohne Gott gedacht wird?

Amen.

Prise zum Sonntag

Ralf Haunert Sonntag, 6. Februar 2022 von Ralf Haunert

Die Kirche und Ihre Zukunft

Jesus und der sinkende Petrus auf dem Meer

Jesus und der sinkende Petrus auf dem Meer

22 Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. 23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24 Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. 26 Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32 Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. 33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

I.

Es kommt vor, daß biblische Texte auf den ersten Blick furchtbar abständig wirken. Und es kommt vor, daß gleich auf den ersten Blick ihre tatsächliche oder vermeintliche Tagesaktualität offen daliegt.

Und dann, auch das kommt vor, und mir ist es mit dem Text, der heute zur Verhandlung ansteht, so ergangen, daß er von einem vormals auf den ersten Blick irgendwie doch einigermaßen abständigen – so habe ich ihn gesehen, als ich das letzte Mal über ihn zu predigen hatte – bei der Wiederbegegnung unversehens zu einem gleich auf den ersten Blick ganz und gar aktuellen geworden ist:

Beim letzten Mal habe ich diesen Text ganz von seiner Wunderthematik her wahrgenommen: der übers Wasser laufende Jesus, und Petrus, der es ihm mit anfänglich geradezu unglaublichem, dann freilich unvermittelt einbrechendem Erfolg nachtut.

Diesmal fokussiert von Anfang an das Bild des sinkenden Petrus meine Wahrnehmung. Dieser Petrus, der nach Auskunft des Matthäus doch der Fels ist, auf dem Christus seine Kirche bauen will. Petrus versinkt. Und die Kirche, deren festes Fundament er sein soll?

II.

Daß die Skandalgeschichte des Mißbrauchs und seiner Vertuschung nun auch den emeritierten Papst Bendedikt XVI. erreicht hat, der von Entscheidungen, die er als Erzbischof von München selbst getroffen oder wenigstens doch zu verantworten gehabt hat, eingeholt wurde, ist das eine.

Das andere, und das hat auch außerhalb der katholischen Kirche Menschen betroffen gemacht und erschüttert, auch in ihrem Glauben erschüttert, das war, daß er (oder halten wir ihm seine fast 95 Jahre zugute) Personen in seinem direkten Umfeld es dabei aus Selbstschutz oder einem –  dann freilich falsch verstandenen – Schutzinstinkt für die Institution heraus offenbar mit der Wahrheit nicht zu genau nehmen zu dürfen meinten.

Aber selbst wenn man Benedikt das zugute hält, daß nicht er selbst das war, sondern Personen aus seinem Umfeld – was ich persönlich wirklich gern tun möchte, weil ich die Vorstellung, dieser von mir immer als ein kluger und integrer, wenn auch ein bißchen arg römisch-konservative Theologe hätte in einer solchen Sache selbst mit voller Absicht gelogen, irgendwie unerträglich ist – findet man sich nicht auch dann zurückgeworfen auf den Goethe-Satz: Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich sage Dir, wer Du bist?

„Papst gesteht Falschaussage ein!“ Wer hätte solche Schlagzeilen für möglich gehalten?

Und wenn ich jetzt die nächste Austrittswelle schon förmlich auf uns zurollen sehe, auch auf die evangelische Kirche, dann wandert mein Fokus vom sinkenden Petrus zu jenem in schwere See geratenen Boot, das sich Volkskirche nennt.

Vorbei die Zeiten, in denen aus solchen Übelständen in der katholischen Kirche protestantische Selbstbestätigung gezogen worden wäre. Und das kann ich nicht einmal bedauern. Denn sich auf solche Art und Weise Selbstbestätigung holen zu müssen, ist ja seinerseits nun auch wieder kein gutes Zeichen.

Und auch die EKD macht – jedenfalls aus Betroffenenperspektive – ja nicht gerade eine souveräne Figur beim Thema Aufarbeitung. Auch wenn das Problem, die mutmaßlichen Zahlen zugrunde gelegt, wohl ein paar Nummern kleiner ausfällt.

Natürlich könnte man jetzt auf die Bereiche Schule und Sport verweisen – wo das Problem nach allem, was bis jetzt mehr begründet zu vermuten ist als wirklich gewußt wird, an den Fallzahlen gemessen sogar noch um ein Mehrfaches größer ist als in der katholischen Kirche. Und (sich) fragen, wo denn da eigentlich diejenigen sind, die die Aufarbeitung beherzt anpacken. Oder herrscht in Kultusministerien und Sportverbänden vielleicht haargenau die gleiche Institutionenlogik, und man ist insgeheim einfach nur froh, daß es – vorläufig noch – wen anders trifft?

Aber ich merke, daß so zu fragen auch schon wieder als Ausdruck dieser Institutionenlogik aufgefaßt werden kann.

Und wenn dann jemand aus der bayerischen Pfarrei, in der der Priester, dessen Taten jetzt so hohe Wellen schlagen, lange Jahre sein Unwesen getrieben hat, bezogen auch auf die höheren Verantwortungsträger im Erzbistum München und Freising (und anderswo) und nicht nur auf diesen Priester selbst sagt: „Man hat an Geistliche einfach höhere Ansprüche als an andere Menschen. Und jetzt müssen wir lernen, dass viele von ihnen nicht einmal normalen Ansprüchen genügen“,[1] dann läßt einen das auch als evangelischer Geistlicher nicht kalt und zeigt die Dimension des Schadens, der den Kirchen (Plural!) entstanden ist.

Ich persönlich frage mich darüber hinaus jenseits der Ansprüche an geistliche Amtsträger auch, was es für die Kraft heißt, die wir der Botschaft des Evangeliums zutrauen zu dürfen glauben, wenn selbst im Raum der Kirche Rechtfertigung dann, wenn es hart auf hart kommt, doch wieder nur als SELBST-Rechtfertigung gedacht und gelebt wird. – Das Evangelium sei „fehlerfreundlich“, hat der neue Prälat unserer Landeskirche, der zu Wochenanfang in sein Amt eingeführt wurde, in seiner Installationspredigt in einem anderen Zusammenhang bemerkt. Fehlerfreundlich in dem Sinne, daß es um die Fehlbarkeit des Menschen weiß und ihm von Gott her die Möglichkeit zur Umkehr eingeräumt sieht. Gerade deswegen sollte(n), ja, müßte(n) Kirche(n), Christus fest im Blick, doch ganz grundsätzlich zu einem anderen, einem offenen Umgang mit Schuld und Versagen in ihren eigenen Reihen in der Lage sein! Das erlebe ich als Evangelischer im Grundsatz durchaus als eine gemeinsame, eine ökumenische Anfechtung.

III.

In der CDU wird in diesen Tagen im Zuge der Analyse der verlorenen Bundestagswahl vom letzten September intern darüber diskutiert, ob es nicht besser wäre, im Rahmen einer „Flurbereinigung“ das C aus dem eigenen Parteinamen zu streichen, und das nicht nur deswegen, weil man darin eine potentielle „Barriere“ für nicht- oder nicht mehr christliche Wähler:innen mit und ohne migrantischen Hintergrund erkannt haben will, die es auszuräumen gilt, sondern ebenso auch, um sich von der Krise des institutionellen Christentums zu entkoppeln.[2]

Und wahrscheinlich ist es so, habe ich gelesen, daß das vergangene Weihnachtsfest das letzte war, bei dem die Christen in Deutschland noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht haben. Schon in den nächsten Monaten werden wir, die beiden großen und die verschiedensten kleinen Kirchen zusammengenommen, in Deutschland unter die 50%-Marke gerutscht sein.

Der Vertrauensverlust, dem sich infolge der Enthüllungen der letzten Jahre nicht nur die katholische Kirche ausgesetzt sieht, sondern wir gleich mit, weil viele zwischen evangelisch und katholisch auch in dieser Hinsicht schon längst keinen Unterschied mehr machen, erklärt das bei weitem nicht alles.

Die Enthüllungen der letzten Jahre sind ohne Zweifel ein Krisenbeschleuniger gewesen.

Aber es sind langfristige Entwicklungstrends, die sich in dem Unterschreiten der 50%-Marke abbilden, auf das wir zusteuern.

Und auch die Ursachen sind nicht ohne weiteres auf einen Nenner zu bringen. Tatsächlich hat ja z.B. auch die Demographie hieran ihren nicht ganz unwesentlichen Anteil.

Fest steht aber: Immer weniger Menschen finden für sich eine befriedigende Antwort auf die Frage, warum es gut ist, in der Kirche zu sein. Warum es gut ist, daß es die Kirche gibt.

Das hat nicht einmal etwas damit zu tun, daß weniger Menschen etwas glauben würden. An irgendeine höhere Macht glauben Umfragen zufolge so viele Menschen wie eh und je. Und mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, daß der Prozentsatz derer, die an Wunder glauben, sogar deutlich größer geworden ist, als er es vor ein paar Jahrzehnten war.

Es gibt übrigens auch nicht wenige Menschen, die von sich sagen, daß sie an Engelwesen und dergleichen glauben, aber nicht an Gott – d.h. daß die Zahl derer zurückgeht, die es mit dem christlichen Glauben halten, hängt keineswegs damit zusammen, daß die Rationalität zugenommen hätte, wie manche, die ihrerseits – intellektuell sehr schlicht – Rationalität mit Atheismus gleichsetzen, es gern hätten. Eher könnte man wohl annehmen, daß es inzwischen Menschen gibt, die das Bedürfnis haben, etwas zu glauben, dabei aber auf vergleichbar hohe Rationalitätsstandards, wie sie gerade dem christlichen Glauben, zumal in seinen maßgeblichen abendländischen Ausformungen, eigen sind, ganz unbedenklich verzichten.

IV.

Womöglich kann uns der Evangelist Matthäus ja in dieser Krisensituation einige Aufschlüsse geben.

Auch ihm geht es um eine Kirche im Krisenmodus:

Auch damals war der Seegang rauh, gab es Stürme, die die Kirche durchgerüttelt haben.

Auch damals gab es ganz sicher allerlei menschliches Versagen auf den verschiedensten moralischen und sonstigen Ebenen und sicher auch Schuldhaftes bei kirchlichen Verantwortungsträgern. Die Kirche ist und war eben nie einfach eine reine Gegenveranstaltung zu dieser Welt, sosehr sie es insbesondere in ihren Anfängen zu sein versuchte. Denn die Kirche besteht nun einmal aus Menschen. Und Menschen sind fehlbar. –

Und auch damals gab es im übrigen ja eine nichtchristliche Mehrheitsgesellschaft, die aus jeweils besseren oder schlechteren Gründen der Kirche, die – was, das ist mir bewußt, nicht einfach dasselbe ist – dem Evangelium indifferent bis ablehnend gegenüberstand.

Man kann vor diesen Hintergründen den Seewandel auch als ein Gleichnis des Aufbruchs lesen, denke ich: Petrus riskiert es, die relative und zunehmend scheinbare Sicherheit, die das Boot ihm und den anderen Jüngern auf dem tobenden Wasser bietet, hinter sich zu lassen und den Sprung ins Ungewisse zu wagen.

Denn dahin ruft ihn die Stimme Christi: heraus aus dem ängstlichen Sich-Festklammern an der hölzernen Bootsstruktur, aufs Wasser, ungesichert in die Stürme der Welt.

Das ist der Weg, auf den Christus seine Kirche ruft, sagt mir der Evangelist Matthäus.

Und erstaunlicherweise geht die Sache erst mal gut. Petrus verläßt das Boot und findet Boden unter den Füßen, wo kein Boden ist.

Die Sache geht genau solange gut, wie Petrus Christus fest im Blick hält.

Vielleicht ist es jetzt einfach an der Zeit, anzuerkennen, daß die überkommenen volkskirchlichen Strukturen – das Boot, in dem wir so lange in relativer (und zunehmend scheinbarer!?) Sicherheit gesessen haben – keine Zukunft mehr haben und wir den Sprung ins Ungewisse wagen müssen.

Ich glaube, dieser Sprung muß jetzt sein. Und ich glaube, es wird gutgehen, wie immer wir dann Kirche sind. Es wird gutgehen, solange es Christus ist, der unseren Blick bestimmt.

Amen

Kerstin Berk Sonntag, 23. Januar 2022 von Kerstin Berk

Grenzen öffnen – für mehr Weite im Leben

Bibeltext: Mt 8,5-11+13 Übersetzung nach der Basisbibel

Enge Grenzen öffnen – das kann Weite und Stärke bringen, das kann Wärme und eine neue Heimat begründen, so wie es im Lied „Meine engen Grenzen“ (Evangelisches Gesangbuch 584) beschrieben wird. Enge Grenzen zu öffnen, das kann sogar Wunder bewirken. Gerade in unserem Land war die Grenzöffnung ja wirklich wie ein Wunder, besonders für die, die bis dahin ein stückweit eingesperrt und ausgegrenzt waren.

Damals ging es aber oft auch nicht nur um das Einreißen der Mauer, sondern um die Grenzen und Mauern in den Köpfen, die manchmal unüberwindlicher und mächtiger sind, als tatsächliche Zäune und Schlagbäume. In der heutigen Geschichte aus dem Matthäusevangelium geht es darum, dass Jesu Handeln und seine Weite im Geist, wirklich den ganzen Erdkreis meint. Und es geht darum, dass Grenzen am erfolgreichsten von beiden Seiten und nicht nur von einer Seite aufgemacht werden. Im Matthäusevangelium in 8. Kapitel wird vom Hauptmann von Kapernaum erzählt.

Jesus ging nach Kapernaum. Da kam ihm ein römischer Hauptmann entgegen. Er sagte zu Jesus: „Herr, mein Diener liegt gelähmt zu Hause. Er hat furchtbare Schmerzen!“ Jesus antwortete: „Ich will kommen und ihn gesundmachen.“ Der Hauptmann erwiderte: „Herr! Ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst! Aber sprich nur ein Wort, und mein Diener wird gesund! Denn auch bei mir ist es so, dass ich Befehlen gehorchen muss. Und ich selbst habe Soldaten, die mir unterstehen. Wenn ich zu einem sage: ›Geh!’, dann geht er. Und wenn ich zu einem anderen sage: ›Komm!’, dann kommt er. Und wenn ich zu meinem Diener sage: ›Tu das! ’, dann tut er es.“

Als Jesus das hörte, staunte er. Er sagte zu den Leuten, die ihm gefolgt waren: „Amen, das sage ich euch: Bei niemandem in Israel habe ich so einen Glauben gefunden! Ich sage euch: Viele werden aus Ost und West kommen. Sie werden mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch liegen. Dann sagte Jesus zum Hauptmann: „Geh! So wie du geglaubt hast, soll es geschehen!“ In derselben Stunde wurde sein Diener gesund.

Ein römischer Soldat von angesehenem Dienstgrad ist in Not. Sein Schmerz ist nicht an seinem eigenen Körper spürbar, sondern an seiner Seele. Denn er geht mit offenen Augen durch sein Haus, kennt die Menschen, die um ihn sind, - auch die, die er vielleicht gekauft oder von seinem Vorgänger übernommen hat, damit sie für ihn die niedrigen Arbeiten verrichten. Dieser Hauptmann verhält sich ungewöhnlich in mancherlei Beziehung: er sieht hin und hört genau zu, er versteht und empfindet Mitleid; es scheint, als könnten seine Untergebenen offen zu ihm sein. Er steht nicht nur auf der Seite des Befehlenden, er überwindet gleichsam unsichtbare Grenzen. Grenzüberschreitung, das Thema in vielerlei Hinsicht:

Ungewöhnliches geschieht: einer der das Sagen hat, setzt sich ein für einen Schwächeren. Bei einem Vorgesetzten in der Antike bin ich überrascht, dass er handelt wie ein guter Vater, eine umsichtige Mutter.

Und er geht dabei erstaunliche ganz neue, ungewöhnliche Wege über die Grenzen der Religion hinweg. Ein römischer Soldat wendet sich an einen jüdischen Rabbi. Ein Besatzer geht zu einem aus dem unterworfenen Volk. Er spricht einen an, der es mit der fremden und nicht gern gesehenen Religion hält. Dabei beruft er sich auf die Gesetze, die in der Soldatenwelt gelten: Befehl und Gehorsam, oben - unten, das muss doch überall funktionieren. Achtsam ist er dabei. „Ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst.“ Ein jüdischer Rabbi würde das Haus eines römischen Heiden nicht betreten, davon geht er aus. Aber diesem jüdischen Rabbi, dem traut er vielmehr zu als einen Besuch über die natürliche Grenze hinweg: „Sprich nur ein Wort, und mein Diener wird gesund". Über eine räumliche Entfernung, glaubt er, kann dieser Jesus dennoch Wunder tun. Was hat der Hauptmann doch für ein weites Herz, was bringt er da an Vertrauen auf!

Warum tut er das? Ich stelle mir vor, dieser Mann ist an die Grenzen seiner beruflichen Fähigkeiten gekommen, er ist mit „seinem Latein am Ende". Und er würde jetzt alles versuchen, um eine andere Lösung zu finden. Er ist auf der Suche und er bringt den Mut auf, alle inneren Begrenzungen und alle äußeren Hindernisse hinter sich zu lassen. Er sucht bei einem, der das Heilige, der Gott vertritt und einen heilsamen Raum um sich herum anbietet.

Und Jesus sagt nicht: Ach, jetzt kommst du hier an, plötzlich soll Gott helfen, der doch gar nicht dein Gott ist. In der Not sind wir also gut genug. Nein, Jesus hört ihn an und hilft einfach.

Stark und beeindruckend ist die Szene und sie hat beim erneuten Lesen in diesen Tagen bei mir eine Reihe von Assoziationen ausgelöst.

Menschen sind auf der Suche und bestimmt sind sie es zur Zeit ganz besonders viele, manche besonders verzweifelt.

Kirche will da sein für andere, für alle, die suchen. Dass wir in Coronazeiten unsere Kirchen geöffnet haben, zusätzlich zur bereits offenen Bergkirche auch die Laurentiuskirche aufmachen und an Weihnachten auch die Türen in Lieblos und Gettenbach und Breitenborn geöffnet hatten, halte ich für genau das richtige Zeichen. Und da kommen Leute, Alte und ganz junge, Kinder. Menschen aus der Kirchengemeinde, aber auch von weiter und weit her. Und Menschen, die katholisch sind oder gar keine Christen, von denen wir nicht wissen, wie sie zum Glauben stehen. Sie kommen und schauen und genießen die Stille oder an Weihnachten auch die Musik. Sie werden still, vielleicht beten sie. Sie zünden eine Kerze an, denken nach. Manche schreiben dankbare Worte oder Gebete in die Gästebücher.

Und unsere Kirchräume sind an diesen Punkten einfach für alle offen und wenn wir dort Dienste besetzen, dann sind wir auch ganz offen für Gespräche, wenn das gewünscht ist. Wir fragen niemanden, mit welcher Motivation oder gar Berechtigung er oder sie gekommen ist. Und wir überprüfen nicht, was die Leute suchen oder was sie gefunden haben. Ohne Reglementierung dürfen sie ihr Vertrauen spüren und es wachsen lassen.

Und wir staunen, gerade von Hain-Gründau kann ich das sagen, wer da alles kommt und wie viele es immer wieder sind, viele, die wir nicht kennen oder dann erfreulicherweise kennenlernen.

Jesus staunt über den Fremden, der ihn anspricht und bringt die, die mit ihm sind zum Staunen: „Bei niemandem in Israel habe ich solch´ einen Glauben gefunden.“ Und weil die Grenzen gerade so aufgeweicht worden sind, nutzt Jesus das und weitet die Vorstellungskraft der Zuhörenden noch mehr. Ja, so wird es sein in Gottes Welt: von Osten und Westen, von Norden und Süden werden sie kommen, um mit euren Vätern (und Müttern) das Festmahl zu halten. Alle dürfen kommen, alle werden zuletzt auch den Weg finden und dabei sein. Eine wunderbare Vorstellung von eingestürzten Mauern und von Völkerverständigung ist das. Und darin zeigt sich das bedingungslose, unbegrenzte Vertrauen Jesu in Gottes Wirken und in die Menschheit, die auf der Suche ist.

Pointe 1 in der Geschichte: Das Wunder wird wahr. „Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.“

Pointe 2 für mich in dieser Geschichte: Jesus sagt: Geh hin! Jesus stellt keine Ansprüche. Er erwartet nicht, dass der Hauptmann alles stehen und liegen lässt und ein Jünger wird. Nein- einfach: Geh hin, du hast Glauben und du hast alle Freiheit.

Diese Freiheit kann auch uns freimachen, wenn wir auf Skepsis und Ablehnung in der Gemeinde stoßen, zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit muslimischen und jüdischen Gemeinden, wie beim Autokino.

Geh hin! Davon können wir noch lernen. Dann, wenn wir doch insgeheim denken, alle, die den Kontakt mit uns suchen, müssten ja doch mal in den Gottesdienst kommen oder irgendwo mitmachen oder gar in die Kirche eintreten. Manchmal geschieht so etwas, aber meist nur, wenn wir sagen: Geh hin, du hast deinen Glauben und du hast alle Freiheit.

Enge Grenzen öffnen – das kann Weite und Stärke bringen, das kann Wärme und eine neue Heimat begründen. Enge Grenzen zu öffnen, das kann sogar Wunder bewirken. Und Grenzen zu öffnen, das geschieht in den Köpfen und Herzen, gelingt dann, wenn es von beiden Seiten angestrebt wird, von denen, die auf der Suche sind und von uns als Kirchengemeinde, wenn wir dafür weiten Raum lassen.

Amen

Kerstin Berk Freitag, 31. Dezember 2021 von Kerstin Berk

Ratschläge, die ich hilfreich finde, aber nicht immer befolge

Impuls zur Jahreswende

Es gibt absolut nichts in der Vergangenheit, das du ändern kannst. Das ist simple Physik. Hab kein schlechtes Gewissen, wenn du nichts tust. Durch Tun entsteht wahrscheinlich mehr Schaden auf der Welt als durch Nichtstun. Aber mach das Beste aus deinem Nichtstun. Sei achtsam dabei.

Sei dir bewusst, dass Gedanken Gedanken sind. Wenn sie unvernünftig sind, stell sie infrage, auch wenn du selbst keine Vernunft übrig hast. Du bist der Beobachter deines Geistes, nicht sein Opfer.

Nimm dich in acht vor der Lücke. Der Lücke

zwischen der Stelle, an der du bist und der Stelle, an der du gerne wärst. Allein der Gedanke an die Lücke vergrößert sie. Und am Ende fällt man hinein.

Lies ein Buch, ohne schon daran zu denken, es fertigzulesen. Lies es einfach. Genieße jedes Wort, jeden Satz,

jeden Absatz. Wünsch dir nicht, dass es schon

zu Ende wäre, aber auch nicht, dass es nie endet.

Wenn Menschen dich lieben, lass sie.

Drei Uhr morgens ist auf keinen

Fall der richtige Zeitpunkt für den Versuch, dein Leben umzukrempeln.

An dir ist nichts seltsam.

Du bist ein Mensch, und alles,

was du tust und fühlst, ist natürlich,

weil wir natürliche Wesen sind.

Liebe Gemeinde!

Altjahresabend. Das alte Jahr war kompliziert und liegt ein wenig wie Blei auf uns. In den letzten Monaten war zu spüren, wie sehr die Luft raus ist bei vielem, sogar auch bei Dingen, die uns normalerweise begeistern oder erfreuen würden, wie zum Beispiel die Advents-und Weihnachtszeit. Und auch an Silvester wird es kein rauschendes Fest geben und die Erwartungen an 2022 sind jetzt schon heruntergeschraubt und werden torpediert von der Angst vor dem, was da wohl noch kommt.

In den letzten Monaten haben mir Menschen immer häufiger erzählt, dass sie sich ernsthaft fragen, ob sie jetzt depressiv geworden sind. Dass sie antrieblos, müde, down sind, obwohl sie weder krank geworden waren, keinen Menschen verloren haben, ihrer Arbeit noch nachgehen dürfen und eigentlich durch das letzte Jahr doch ganz gut durchgekommen sind. Kam mir alles bekannt vor. Dass es vielen so geht, ist ein kleiner Trost. Aber das macht ja dieses Gefühl der Traurigkeit und Sinnlosigkeit nicht weg. Man könnte vielleicht sagen, die ganze Gesellschaft befindet sich in einer Art sogenannten reaktiven Depression. Also diese Melancholie und die Dumpfheit ist eine Reaktion auf zwei Jahre Pandemie. Schöne Erklärung, hilft sie denn?

Ich habe heute Abend einen kleinen Textausschnitt von einem Schriftsteller mitgebracht, der jenseits von Corona an einer schweren Depression erkrankt war. Matt Haig, ein Brite, hat beschrieben, wie er Schritt für Schritt wieder ins Leben zurückgefunden hat. In seinem Buch gibt es eine Liste: Ratschläge, die ich hilfreich finde, aber nicht immer befolge.

Ich fand die Überschrift schön, denn sie zeigt Humor. Und Haigs Gedanken passen gut in unsere Zeit. Vor allem geben sie Hoffnung, dass wir auch trotz Pandemie und natürlich auch anderer belastender Dinge im Leben, die unter Umständen ja viel gravierender sind, kleine Schritte ins Freie machen können. Matt Haig schreibt:

Es gibt absolut nichts in der Vergangenheit, das du ändern kannst. Das ist simple Physik. Hab kein schlechtes Gewissen, wenn du nichts tust. Durch Tun entsteht wahrscheinlich mehr Schaden auf der Welt als durch Nichtstun. Aber mach das Beste aus deinem Nichtstun. Sei achtsam dabei.

Sei dir bewusst, dass Gedanken Gedanken sind. Wenn sie unvernünftig sind, stell sie infrage, auch wenn du selbst keine Vernunft übrig hast. Du bist der Beobachter deines Geistes, nicht sein Opfer.

Nimm dich in acht vor der Lücke. Der Lücke

zwischen der Stelle, an der du bist und der Stelle, an der du gerne wärst. Allein der Gedanke an die Lücke vergrößert sie. Und am Ende fällt man hinein.

Lies ein Buch, ohne schon daran zu denken, es fertig zu lesen. Lies es einfach. Genieße jedes Wort, jeden Satz, jeden Absatz. Wünsch dir nicht, dass es schon zu Ende wäre, aber auch nicht, dass es nie endet.

Wenn Menschen dich lieben, lass sie.

Drei Uhr morgens ist auf keinen Fall der richtige Zeitpunkt für den Versuch, dein Leben umzukrempeln.

An dir ist nichts seltsam. Du bist ein Mensch, und alles, was du tust und fühlst, ist natürlich,

weil wir natürliche Wesen sind.

Auf einige Sätze will ich näher eingehen. Es gibt absolut nichts in der Vergangenheit, das du ändern kannst. Das ist simple Physik. Hab kein schlechtes Gewissen, wenn du nichts tust. Durch tun entsteht wahrscheinlich mehr Schaden auf der Welt als durch Nichtstun. Aber mach das Beste aus deinem Nichtstun. Sei achtsam dabei.

Klar, wir können schon manches Tun: uns impfen lassen, boostern, vorsichtig sein, wir können aufräumen, Ballast abwerfen, können Feste im Freien feiern, aber wir können an der Pandemie im Grunde nichts tun, nichts ändern. Das auszuhalten ist wichtig- und zeigt letztlich, an wie vielen Stellen in unserem Leben wir damit klarkommen müssen. Ein Lernprozess, dass ich nicht alles ändern kann durch mein Handeln.

Sei dir bewusst, dass Gedanken Gedanken sind. Wenn sie unvernünftig sind, stell sie infrage, auch wenn du selbst keine Vernunft übrig hast. Du bist der Beobachter deines Geistes, nicht sein Opfer.

Ich versteh das als Aufforderung sich nicht in negative Gedankenspiralen reinzudrehen. Das zieht einen abwärts, obwohl es eben nur Gedanken sind, bekommen sie eine Macht, die plötzlich ganz real auf mein Leben einwirkt.

Nimm dich in acht vor der Lücke. Der Lücke zwischen der Stelle, an der du bist und der Stelle, an der du gerne wärst. Allein der Gedanke an die Lücke vergrößert sie. Und am Ende fällt man hinein.

Einer der schlausten Ratschläge, finde ich. Diese Lücke zwischen dem, was ist und was doch unbedingt sein soll, ist eine echte Falle. Corona hat das nochmal verschärft. Natürlich träumen wir alle ständig von Erlebnissen, die gerade nicht gehen. Und das macht die Lücke zum Abgrund, der dazu führt, dass wir unzufrieden und traurig sind, weil so viel unerfüllt bleibt. Nehmt euch in acht vor er Lücke.

Wenn Menschen dich lieben, lass sie.

Stark ist diese Aussage, schlicht und ergreifend und so gar nicht pathetisch. Wer im Sumpf von negativen Gefühlen und Gedanken sitzt, kann sich selbst nicht leiden und kann sich nicht vorstellen, dass irgendjemand anders ihn leiden könnte. Auch eine böse Falle. Und eine gefährliche dazu, weil sie in den Rückzug führt, ich kapsele mich dadurch immer mehr ab. Das sehe ich auch zur Zeit immer mehr- nicht nur die Angst vor dem Virus, sondern auch die Befürchtung, dass wir uns so fertig und kraftlos niemandem zeigen können, führt zu immer mehr Isolation.

Daran schließt sich auch ein weiterer Ratschlag, den Haig hilfreich findet, aber nicht immer befolgt an:

An dir ist nichts seltsam. Du bist ein Mensch, und alles, was du tust und fühlst, ist natürlich, weil wir natürliche Wesen sind.

Spätestens hier hätte ich doch noch eine Idee hinzuzufügen. An dir ist nichts seltsam, weil du ein gutes Geschöpf Gottes bist, ein Mensch. Alles, was Du tust und fühlst gehört zu diesem Menschsein dazu, auch die Lücken, die Abgründe, die Fehler, die du machst, ebenso wie all das Gute, dass du umsetzt, die Liebe, die Du gibst, die Hoffnung, die nicht unterzukriegen ist.

Matt Haig hat ein großartiges Buch geschrieben. Er hat es geschafft, sich seiner Depression gegenüber zu stellen. Das bedeutet: ich bin nicht die Depression, sie besitzt mich nicht, ich bin noch ganz viel anderes. Sein Buch hilft Menschen mit Depression und ihren Angehörigen und Freunden, einen Umgang mit der Krankheit zu finden. Seine Ratschläge können auch uns nachdenklich machen.

Aber ich habe noch etwas hinzugefügt, was in Haigs Erleben keine Rolle spielt, da er - absolut zu respektieren -, Atheist ist, also ganz bewusst an keine Religion glaubt.

Meine und ich denke, auch Ihre und Eure Ergänzung, ist aber eben dieser Glaube. In Psalm 31 heißt es: Gott, meine Zeit steht in deinen Händen. Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Das ist kein Ratschlag, da muss ich nichts dafür tun, da gibt es keine Lücke zwischen hier und dann, denn da sind Grund und Ziel meines Lebens schon da. Und da ist diese Liebe da, bei der klar wird: Egal, ob ich hier gerade strauchele mit meinem Lebensgefühl, egal, ob ich mich zurückziehe, ob komische Gedanken mich quälen, ganz egal: Gott bleibt an meiner Seite, liebevoll, freundlich, auch kritisch. Und als Christen und Christinnen bleibt uns noch mehr: Jesus Christus, derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit.

Das Zeichen der Depression ist, dass die eigenen Überzeugungen wackeln, vielleicht richtig angekratzt werden. Dann ist es umso wichtiger, sich darauf verlassen zu können, dass die andere Seite, das Gegenüber sich weiter an Verheißungen und Versprechen hält. Wenn Menschen dich lieben, lass sie.Wenn Gott in Jesus Christus dich liebt, dann lass es zu. Wir waren im alten Jahr niemals außerhalb dieser Liebe und sie gilt auch für 2022 wieder.

Matt Haig aus: Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben.

Ralf Haunert Freitag, 31. Dezember 2021 von Ralf Haunert

Vom Unkraut unter dem Weizen

Impuls zu Silvester

I.

Jetzt haben wir 2021 so gut wie „im Sack“. Gut so, bin ich versucht zu sagen.Und daß es nächstes Jahr nur besser werden kann. Doch man wird vorschtig in diesen Zeiten.

Oder um es mit dem Weltärztepräsidenten Montgomery zu sagen: Wir sind jetzt bei Omikron. Das griechische Alphabet geht noch bis Omega...

Nein, ich will uns die Silvesterstimmung nicht verderben. Aber, egal, was die Silvesternacht dann noch so bringt, zum Silvestertag und so auch zum Gottesdienst am Silvesterabend gehört ja immer ein bißchen das Resümieren, der Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr und das, was es gebracht hat. Der Abgleich der eigenen Erwartungen mit der Realität, wie sie sich im Zeitraum x entwickelt hat, sozusagen.

II.

Und von daher ist das Gleichnis Jesu zu Saat und Ernte, obwohl jahreszeitlich betrachtet mitten im kalten und regennassen Winter vielleicht zunächst einmal etwas überraschend, für heute nachmittag/abend auch gar nicht so verkehrt.

Rückblicke, Resümees, Abgleich der eigenen Erwartungen mit der Realität, wie sie sich im Zeitraum x entwickelt hat – das läßt sich problemlos auch in die durch dieses Gleichnis aufgerufenen Kategorien von Saat und Ernte hinein übersetzen.

Allerdings, das muß man zugeben, ist die Situation, die das Gleichnis markiert/konstruiert, mindestens auf den ersten Blick eine andere. Doch ich glaube wirklich, nur auf den ersten Blick.

Die Situation des Gleichnisses ist ja nicht die am Ende eines Zeitraums x bzw. einer Entwicklung in diesem Zeitraum, sondern eine mittendrin.

Da ist ein Bauer, der guten Samen auf seinem Ackerland ausgebracht hat. Und wenig später stellen seine Knechte fest, daß sich Unkraut unter breitgemacht hat. Jetzt könnte man sich natürlich fragen, warum der Bauer seinen Knechten nicht befiehlt, das Unkraut einfach auszureißen. Und gut ist. Das tut er ja nicht, er verbietet es ihnen sogar. Das erscheint merkwürdig.

Wir müssen uns das Unkraut ein wenig genauer anschauen, um hinter den Sinn dieser merkwürdigen Anweisung zu kommen.

Übrigens müssen auch die Knechte damals sehr genau und sorgfältig hingeschaut haben.

Denn das Unkraut, wie die Lutherbibel übersetzt, ist nicht irgendein Unkraut. Im griechischen Urtext steht da ζιζάνιον. Das bedeutet „Taumellolch“. Taumellolch sieht Weizen ist in den frühen Wachstumsphasen von Weizen fast gar nicht zu unterscheiden. Nur die Blätter sind etwas schmaler. „Schwindelweizen“ wird der Taumellolch deshalb volkstümlich auch genannt. Einmal wegen der Verwechslungsgefahr. Zum anderen, weil der Verzehr von Produkten aus mit Taumellolch verunreinigtem Weizenmehl zu Vergiftungserscheinungen wie eben Schwindel (und in der Folge dann Taumeln), Erbrechen und in seltenen Fällen sogar zum Tod führt.

Das Unkraut, um das es im Gleichnis geht, ist also kein harmloses „Wild-“ oder „Beikraut“, wie heute von manchen Gartenfreunden gern pc gesagt wird, weil „Unkraut“ so negativ klinge. Sondern der Name „Unkraut“ ist hier vollauf angemessen. Wegen der drohenden Gesundheitsschäden, aber auch, weil Taumellolch die Ernte bedroht dadurch, daß er dem Weizen die Kraft nimmt und ihn erstickt.

Wenn der Bauer also seine Knechte anweist, mit dem Beseitigen des Unkrauts noch zu warten, dann weil er offenbar bei seinem Abwägen zu der Entscheidung gekommen ist, daß der Schaden für die Ernte auch nicht viel größer sein wird, wenn man zuwartet, als wenn man dem Unkraut jetzt zu Leibe rückt und, um auf Nummer sicher zu gehen, womöglich eine ganze Menge echten Weizen mit ausreißt oder dessen empfindliche Wurzeln, die mit denen des Taumellolches längst verflochten sind, schädigt.

Fürs Warten spricht dabei noch ein weiterer Umstand: In der Reifezeit zeigt sich der Unterschied zwischen Weizen und Taumellolch in aller Klarheit. Denn anders als die Weizenkörner sind die Körner des Taumellolchs – wie passend – schwarz und die Pflanze so auf Anhieb und zweifelsfrei zu identifizieren.

III.

Ich bin ein landwirtschaftlicher Laie, aber mir erscheint es gar nicht so unvernünftig, was der Bauer im Gleichnis seinen Knechten als Strategie vorgibt.

Doch was machen daraus für uns an Silvester? Ich hatte es vorhin ja schon angedeutet. In meinen Augen ist die Situation, die das Gleichnis konstruiert/markiert, und die Situation, die der Silvestertag markiert/konstruiert, in Wahrheit gar nicht so verschieden.

Denn auch wenn es einem so vorkommt, als würde heute wirklich etwas zu Ende gehen und morgen etwas Neues anfangen, ist der Jahreswechsel ja eigentlich eine ganz willkürliche Sache. Ja, ich weiß schon, daß die Erde 365 Tage braucht, um die Sonne einmal zu umrunden. Die Zeit in Jahren anzugeben, ist also etwas, das sich von selbst nahelegt.

Doch wo die Grenze zwischen den Jahren verläuft – das könnte genausogut der 1. August sein. Oder 28. Februar. Ich will sagen: Auch wir sind heute eigentlich mittendrin. Der Jahreswechsel bedeutet nicht in dem Sinn eine Grenze, daß – vom Kalender abgesehen – etwas Altes heute zu Ende geht und morgen etwas ganz Neues seinen Anfang nimmt. Der Jahreswechsel ist eher eine symbolische Angelegenheit.

Was natürlich nicht ausschließt, diesen symbolischen Wechsel für sich zu nutzen, um mal Innezuhalten in dem unentwegten Mittendrin: Rückblick, Resümee, Abgleich der eigenen Erwartungen mit der Realität, wie sie sich im Zeitraum x – sagen wir ruhig im vergangenen Jahr – entwickelt hat.

IV.

Durch unser unentwegtes Mittendrinsein im eigenen Leben laufen ja kreuz und quer hindurch ganz vielfältige Linien, an denen Enden und Neuanfänge zusammentreffen. Etwas geht zu Ende: Ich darf nach manchen Mühen die Früchte ernten – oder ich muß hinnehmen, daß meine Mühen keine oder nicht die erhofften Früchte gebracht haben. Vielleicht sogar giftige... Etwas Neues nimmt seinen Anfang: Ich säe Saatgut aus und hoffe, daß die Saat aufgeht. Hoffe vor allem, daß es gute Saat ist, die mich ausbringe.

Es geht einem da ja nämlich häufig wie im Gleichnis, wo die gute Saat, der echte Weizen, vom Schwindelweizen, dem Unkraut, zunächst nicht zu unterscheiden ist. Ich rede hier nicht einmal von guten oder nicht so guten Absichten. Das wäre noch ein Thema für sich. Jetzt meine ich eher, daß selbst, wenn ich das Beste will, es nicht unbedingt bedeutet, daß es auch gut wird.

Sie kennen das: Jemand kriegt einen Satz, bei dem man sich wirklich nichts Böses gedacht hat, so richtig in den falschen Hals – und das war´s dann zwischen ihm/ihr und mir.

Oder ich stürze mich in ein Vorhaben – keine Ahnung, einen Jobwechsel, einen Umzug, eine neue Beziehung – in irgend etwas, von dem ich total überzeugt bin: Das ist jetzt dran; DAS ist das Richtige! Irgendwann später erst werde ich es (wahrscheinlich) wissen, ob es das war. Oder doch eher nicht...

V.

Im Gleichnis ist die Erklärung, wie das Unkraut zwischen den Weizen gelangt, eine recht einfache: Es ist ein Feind, der sich nächtens aufs Feld, schleicht und den Taumellolchsamen verstreut. Mein erster Gedanke dazu war: Wirkt das nicht ein bißchen arg wie ein Verschwörungsszenario?

Doch wie attraktiv derartige Erklärungen sind, auch ohne daß man metaphysische dunkle Mächte die Hand im Spiel haben sieht, läßt sich zur Zeit ja ganz schön studieren. Es gibt sie anscheinend – kaum zu fassen! – tatsächlich, Leute, die glauben, Bill Gates habe Corona in die Welt gesetzt. Aber auch die Behauptung, wir hätten es jetzt nur noch mit einer „Pandemie der Ungeimpften“ zu tun und alles wäre schon längst wieder gut, wenn alle so vernünftig wären, sich impfen zu lassen, operiert mit mit einem klaren Feindbild, mit Schuldigen. Mit Vereinfachungen. Daß es ganz so einfach allerdings auch wieder nicht ist, das sagt jedenfalls Christian Drosten. (Und trotzdem wäre es ohne Frage besser, es wären alle so vernünftig sich impfen zu lassen.)

Auch ließe sich die Frage der guten oder nicht so guten Absichten – eigener und fremder – im Anschluß an diesen Vers mit dem Feind jetzt doch noch trefflich erörtern. Aber ich will darauf verzichten.

VI.

Ich will an den Schluß meiner Überlegungen etwas anderes stellen. Als „Ermutigung zum Unperfekten“ – so kann man das Gleichnis Jesu nämlich auch lesen. Eine beliebte Beschäftigung zum Jahreswechsel ist ja da Fassen guter Vorsätze. Ein Neujahrsputz für den inneren Menschen. Oder näher am heutigen Gleichnis formuliert: Unkrautbekämpfung auf dem eigenen Lebensacker.

Nicht jedes Unkraut macht es einem so schwer, es als das zu identifizieren, was es ist, wie der Taumellolch das tut. Bei manchem Unkraut braucht nicht erst auf die schwarzen Körner zu warten, um zu erkennen: Dieses Gewächs ist giftig. Und manchmal bleibt man halt im Zweifel hinsichtlich der wahren Natur eines Gewächses: Habe ich mich da richtig entschieden? Wäre es gut für mich und für die um mich herum, wenn ich das und das tue? Verdient xy vielleicht doch noch eine Chance? Oder ist das bei ihm/ihr nichts als vergebene Liebesmüh´?

Die meisten guten Vorsätze jedenfalls sind bald nach dem Jahreswechsel auch schon wieder passé. Das betrifft den gesunden Lebensstil genauso wie die Kriegsbeile, die man begraben wollte.

Womöglich liegt das ja (auch) daran, daß wir zuviel wollen. Daß wir perfekte Zustände und Lösungen anstreben. Und wenn wir merken, daß es damit nichts wird, lassen wir´s gleich ganz.

Demgegenüber ausgehend von dem Gleichnis Jesu in Mt. 13 den Mut zum unperfekten Leben in mir stark zu machen, das wäre doch auch mal ein schöner guter Vorsatz. – Gesünder leben z.B. ist nicht dasselbe wie total gesund leben, aber gerade drum auch erreichbarer. Das Kriegsbeil mit xy begraben muß nicht heißen (und kann es womöglich auch gar nicht), daß xy und ich wieder die dicksten Freunde werden.

Mut zum unperfekten Leben, das hieße also vielleicht nicht mehr, bestimmt aber nicht weniger, als den Dingen in meinem Leben, von denen ich mir zumindest vorstellen kann, daß aus ihnen doch noch etwas Gutes werden könnte, die Chance zum Reifen zu lassen. Dazu bedürfte es Gelassenheit, wie der Bauer im Gleichnis sie hat. Ich könnte statt dessen auch Gottvertrauen sagen. Und es bedürfte der Einsicht, daß nichts und niemand auf der Welt perfekt ist. Niemand als Gott allein ist perfekt. Das unter keinen Umständen zu vergessen, wäre noch ein schöner guter Vorsatz, der den anderen, den mit dem Mut zum unperfekten Leben, – fast hätte ich gesagt: perfekt ;-) – flankieren könnte.

Amen.

Ralf Haunert Sonntag, 12. Dezember 2021 von Ralf Haunert

Impuls 12.12.2021

Andacht zum 3. Advent

Dafür soll man uns halten: für Diener von Christus

und Verwalter von Gottes Geheimnissen.

Nun verlangt man ja von Verwaltern,

daß sie zuverlässig sind.

Aber mir ist es völlig gleichgültig,

ob ihr oder ein menschliches Gericht mich beurteilt.

Ja, ich beurteile mich nicht einmal selbst.

Ich bin mir zwar keiner Schuld bewußt.

Aber deswegen gelte ich noch nicht als gerecht.

Nur der Herr kann über mich urteilen.

Urteilt also nicht schon jetzt.

Wartet, bis der Herr kommt!

Er wird alles ans Licht bringen,

was im Dunkeln verborgen liegt,

und die geheimsten Absichten enthüllen.

Dann wird jeder von Gott gelobt werden,

wie er es verdient.

(1. Kor. 4,1-5)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Amen.

Liebe Gemeinde,

I.

es ist bemerkenswert, finde ich, wie der Apostel Paulus die Sache hier ausdrückt in 1. Kor. 4:

Für Verwalter von Gottes Geheimnissen soll man uns halten.

Häuser kann man verwalten. Sparbücher. Staaten.

Aber da fängt es schon an: Wenn von einer Regierung gesagt wird, sie verwalte nur, statt zu gestalten, dann heißt das: Dieser Regierung fehlt eine Vision.

„Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen“, lautet ein legendärer Satz von Helmut Schmidt, der mit seinem Macher-Image gern kokettierte. In der Politik kann  man auch zuviel Phantasie haben.

Aber selbst der Macher Helmut Schmidt hat zugestanden, daß Politik ganz ohne Vision von der Zukunft, ohne eine Vorstellung, wo man hinwill, auch nichts taugt: Regieren heiße, so habe er gesagt, las ich neulich bei Theo Sommer, ZEIT-Herausgeber und Vertrauter Schmidts aus alten Tagen, die fernen Lichter nicht vergessen, aber hier und heute praktische Politik machen.[1] Dieser Satz von ihm ist weniger bekannt. Ihn zu kennen, hilft den anderen, den legendär gewordenen Satz mit den Visionen und dem Arzt besser einzuordnen.

Die fernen Lichter nicht vergessen.Das ist ein starkes Bild, wenn es darum geht, Vision und Realitätssinn in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu setzen.

II.

In diesem Advent, wo auf vielen Weihnachtsmärkten die Lichter nach kurzem wieder aus- bzw. gar nicht erst angegangen sind, trifft mich dieses Bild in noch ganz anderer Weise: Denn es scheint mir die Stimmung dieser Wochen widerzuspiegeln.

Im Sommer gab es eine Vision: Bis Weihnachten ist alles wieder gut. Wir haben jetzt Impfstoffe. Wir kriegen die Pandemie in den Griff. Noch einmal eine große Kraftanstrengung. Dann haben wir´s geschafft.

Und jetzt stehen wir, wo wir stehen. Ganz woanders. Und uns wird gesagt, wir stehen sogar noch schlechter da als im letzten Jahr.

Das macht traurig. Und auch wütend.

Weil wir es hätten schaffen können. Nicht, Corona ganz hinter uns zu lassen. Doch immerhin deutlich besser dazustehen, als wir es jetzt tun, das hätten wir schaffen können.

Die Pandemie hat schonungslos schon länger bestehende Schwächen offengelegt. Zum Beispiel die Schwächen in unserem Gesundheitswesen.

Es ist richtig: Die Kapazitäten, die derzeit benötigt werden an Intensivbetten etc., die kann man nicht einfach für den Eventualfall bevorraten. Kein Land der Welt könnte sich das leisten.

So robust, wie der neue Gesundheitsminister das deutsche Gesundheitssystem jetzt zu machen versprochen hat, hätte es allerdings wohl auch früher schon sein können/sollen...

III.

Offenlegung bestehender Schwächen, das gilt auch für ganz andere Bereiche als das Gesundheitswesen.

Der bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung eingetretene Vertrauensverlust gegenüber „der“ Politik an sich zeigt sich in seinem stabilitätsgefährdenden Umfang so deutlich wie nie zuvor.

Die aus Sicht dieses Teils der Bevölkerung „diktatorischen“ Coronamaßnahmen sind dafür nicht die eigentliche Ursache, sie haben das lediglich befördert und beschleunigt – und vor allem sichtbar gemacht.

Überhaupt gilt das mit der schonungslosen Offenlegung länger bestehender Schwächen längst nicht nicht nur für die Politik. Wir sehen das gleiche ja auch im Bereich der Kirche.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat dazu vor kurzem das folgende gesagt: „Auch vielfältige Innovationen und gelungene Praxisbeispiele wie etwa zur digitalen Glaubensverkündigung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Frage der Relevanz kirchlichen Lebens während der Corona-Krise deutlich zutage getreten ist. [...] Die Frage der „Systemrelevanz“ der Kirche wurde unverhohlen gestellt.“[2] 

Bätzing sieht in diesen Entwicklungen klare Indizien  für  den  schleichenden  Relevanzverlust  der  Kirchen  in  unserer  Gesellschaft.

Doch auch hier gilt: Corona ist nicht die eigentliche Ursache, sondern hat andere, langfristigere Prozesse befördert und beschleunigt.

Festzustellen ist, was diese Prozesse angeht, aus evangelischer Sicht jedoch:

Die besonderen Probleme in der katholischen Kirche – Bätzing ist Nachfolger von Tebartz-van Elst in Limburg, dem mit der Badewanne – strahlen auf uns Evangelische mit ab.

Die Badewanne des Tebartz-van Elst ist dabei noch das geringere Problem.

Von den Mißbrauchsfällen und dem Schaden, den dies auch uns zugefügt hat, will ich jetzt gar nicht erst anfangen... –

Aber befördert und beschleunigt haben die letzten eineinhalb Jahre diese Prozesse auf ihre Weise wohl auch: Kirche lebt ganz wesentlich von Begegnung. So viele Angebote sind weggebrochen, weil es nicht anders ging.

Ich erinnere mich aber auch an die beredte Sprachlosigkeit der Kirche(n), als es losging mit Corona. Mit Gott habe das alles nichts zu tun.

Es ist mir schon klar, wie das gemeint war: Gott ist ein Freund des Lebens. Und es ist schlicht theologische Dumpfheit, Corona als eine „Strafe Gottes“ für die Abkehr „der Menschen“ vom Glauben hinzustellen, wie das in manchen christlich-fundamentalistischen Kreisen (ja, es gibt auch christlichen Fundamentalismus!) propagiert wird. Was für eine Anmaßung, zu glauben, man habe Gottes Gedanken derart ergründet!

Andererseits bedeutet die Behauptung, mit Gott habe das alles nichts zu tun, in Wahrheit ja nichts anderes, als Gott aus seiner Verantwortung für die Schöpfung zu entlassen. Und ihn in seinem Gottsein gar nicht ernst zu nehmen.

Gott ist der Schöpfer. Und als solcher ist er ganz ohne Frage ein Freund des Lebens.

Und doch zeigt uns diese Schöpfung ja gerade deutlich ihr durchaus  ambivalentes Gesicht.

Der Apostel Paulus spricht 1. Kor. 4 Gott als das Geheimnis an, das die Welt trägt.

Ich verstehe das zunächst einmal so, daß Gottes schiere Größe  - die Altvorderen redeten in dem Zusammenhang gern von seiner Majestät – auch etwas ist, vor dem man als Mensch schon erschrecken kann. Vielleicht tut man sogar gut daran, so als Mensch, an dieser Stelle ein bißchen zu erschrecken. Weil das hilft gegen Anmaßungen in der einen wie in der anderen Richtung. Gottes schiere Größe, um es mit der formelhaften Wendung zu sagen, die auch den Beschluß dieser Predigt bilden wird, ist eben unendlich viel „höher ist als alle unsere [menschliche] Vernunft“.

Die Tatsache, daß Gott Gott ist und wir Menschen nur Menschen sind – mit allen Begrenzungen auch des Verstehens, die das Menschsein hat –, sollte das also nicht auch eine Rolle spielen, wenn man sich eine Meinung zu bilden sucht im Blick auf die Ambivalenzen, die das Leben uns zeigt?

Als Kirche(n) müssen wir uns jedenfalls fragen (lassen), ob unser Reden von Gott dieser Tatsache gerecht wird.

Und ob der Relevanzverlust der Kirche(n) nicht auch – und meine These wäre: nicht zum mindesten – damit zusammenhängt, daß unser Reden von Gott, also die Art und Weise, wie wir das tun, in seiner Harmlosigkeit von den Menschen häufig als erschreckend irrelevant in den Ambivalenzen des Lebens empfunden wird.

Weil die vielen Worte, die wir machen, nur schlecht unsere eigene geistliche Sprachlosigkeit kaschieren.

IV.

Auf dem Hintergrund des teils gar nicht mehr so schleichenden Relevanzverlustes der Kirchen kann es einem ja fast so vorkommen, als wären wir vor allem damit beschäftigt, statt der Geheimnisse Gottes lediglich den eigenen Niedergang zu verwalten:

Die Alten sterben weg. Von den Kindern, die auf die Welt kommen, werden längst nicht mehr alle selbstverständlich getauft. Und die mittleren Jahrgänge treten aus, um sich die Kirchensteuer zu sparen. Und weil sie sich fragen: Wofür noch in der Kirche sein? Was hat mir die Kirche denn noch zu sagen? –

Dafür soll man uns halten: für Diener von Christus und Verwalter von Gottes Geheimnissen.

Für Paulus ist es die Botschaft des Evangeliums, die der Kirche zur „Verwaltung“ anvertraut ist. Seinen Korinthern hat er im 1. Kapitel seines Briefs das tiefste und innerste aller Geheimnisse Gottes als das Wort vom Kreuz vor Augen gestellt, das die Weisheit der Welt zur Torheit macht (cf. 1. Kor. 1,18ff).

Auch die Weisheit von Kirche und Theologie zum Beispiel, wenn sie Gott vor seiner Schöpferverantwortung schützen zu müssen meinen, indem sie ihn aus seiner Verantwortung entlassen – und ihn so in seinem Gottsein eben selbst nicht mehr richtig ernst nehmen.

Dafür soll man uns halten: für Diener von Christus und Verwalter von Gottes Geheimnissen.

Nun verlangt man ja von Verwaltern, daß sie zuverlässig sind.

Wovon wäre da also zu sprechen in diesen Zeiten?

Davon, daß es nur in einer Welt, in der Gott tatsächlich mit allem irgendwie zu tun hat, echte Hoffnung gibt. Eine Hoffnung, die mehr ist als die, daß wir die Dinge schon in den Griff kriegen werden – und wer unterdessen auf der Strecke bleibt, der bleibt eben auf der Strecke.

Die Hoffnung, daß diese Welt tatsächlich von einem Geheimnis getragen ist/getragen sein möge, das allem (s)einen Sinn gibt.

Und es wäre so davon zu sprechen, daß klar wird: Wir als Kirche „verwalten“ dieses Geheimnis nicht so, als hätten wir es im Griff. Wir haben Gott nicht im Griff!

Auch wir sehen dieses Geheimnis nur wie ein fernes Licht, das wir nicht aus dem Blick verlieren dürfen. –  Aber was wäre die Welt ohne dieses ferne Licht...

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Ralf Haunert Sonntag, 28. November 2021 von Ralf Haunert

Impuls 28.11.2021

Andacht zum 1. Advent

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Amen.

Liebe Gemeinde,

I.

„Das ist UNFAIR!“

Ich weiß nicht, wie oft mir dieser Wutschrei in den letzten Jahren in den Ohren gegellt hat.

Beinahe täglich?

Das vielleicht nicht.

Ich will nicht übertreiben.

Denn eigentlich haben wir ganz ‚brave‘ Kinder.

Aber öfter mal passieren tut es schon.

„Das ist UNFAIR!“

Meine Töchter brüllen diesen Wutschrei heraus, brüllen ihn durch die Wohnung.

Jedesmal, wenn eine von ihnen glaubt, ihr werde etwas vorenthalten.

Besonders spitzt sich die Situation zu, wenn die drei um eine bestimmte Sache konkurrieren:

Um das Privileg, die erste Kerze am Adventskranz anzuzünden, zum Beispiel.

Oder es ist nur noch ein Erdbeerlolli in der Süßigkeitenschale:

„Den will ICH!“

„Nein, ICH!!“

„Aber ICH hatte NOCH NIE Erdbeere!!!“

„Stimmt nicht, letztesmal hattest Du Erdbeere.“

„Da wollten die anderen ja auch nicht!“

„Zitrone ist noch da.“

„Ich HASSE Zitrone!!!“

„Echt? Seit wann denn das?“

„SEIT IMMER!“

„Aha...“

Na, Sie können es sich sicher lebhaft vorstellen.

Und wenn dann – aus reiner Verzweiflung – elterlicherseits entschieden wird:

„Ihr kriegt jetzt jede einen Schokoriegel zum Nachtisch“, kann es sein, daß das die Situation gerade nicht befriedet, sondern zu einem allgemeinen Aufschrei wie aus einem Mund führt:

„DAS ist jetzt TOTAL UNFAIR!!! Dann wollen wir lieber GAR NICHTS!“

Und dann rauschen sie erst mal beleidigt ab.

Wenigstens sind sie sich untereinander wieder einig, denke ich mir halb entnervt, halb amüsiert.

Mit etwas Glück haben sie es sich nach ein paar Minuten Schmollen anders überlegt und nehmen doch ganz gern den Schokoriegel.

Und es herrscht wieder eitel Familienfriede.

Wenn es doch immer so einfach wäre...

II.

Gerechtigkeit ist anscheinend ein menschliches Urbedürfnis.

Und meine Töchter bilden da keine Ausnahme.

Gerechtigkeit ist so auch ein Hauptbestandteil des sozialen Kitts, der Gesellschaften zusammenhält.

Und deshalb ein Schlagwort, das die verschiedenen Seiten sich in allen möglichen gesellschaftlichen Debatten gern gegenseitig um die Ohren hauen:

Verteilungsgerechtigkeit, Chancengerechtigkeit, Generationengerechtigkeit, Gendergerechtigkeit, Klimagerechtigkeit usw. usf.

Verteilungsgerechtigkeit: Wieviel soziale Ungleichheit ist vertretbar?

Wieviel mehr als der Rest dürfen die haben, die viel haben?

Wer viel leistet, mehr als andere, soll davon auch etwas haben sagen die einen.

Ohne Leistungsanreize geht die Leistungsbereitschaft flöten.

Dann gibt es weniger zu verteilen, und davon hat dann auch keiner was.

Aber, sagen die anderen, sind es faire Verhältnisse, wenn die obersten zehn Prozent der Bevölkerung mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens besitzen und die untere Hälfte hat gut ein Prozent?

Ich will das jetzt gar nicht für alle genannten Bereiche durchdeklinieren.

Das ist auch gar nicht nötig.

Nur einen Newcomer in den Gerechtigkeitsdebatten will ich noch erwähnen: die Impfgerechtigkeit.

Während bei uns genug Impfstoff für alle vorhanden wäre, ihn zu viele aber aus mehr oder weniger (m.E. eher weniger) nachvollziehbaren Gründen nicht wollen, gibt es viele Länder im globalen Süden, in denen sich viel mehr Menschen sehr gern impfen lassen würden, aber es fehlt am notwendigen Geld für die Beschaffung.

Was nur auf den ersten Blick nicht unser Problem ist; denn solange so viele Menschen weltweit ungeimpft sind, ist die Gefahr neuer Varianten, die dann auch wieder uns betreffen, eben ziemlich hoch.

Und jetzt steht ja ausch schon, pünktlich zum Advent, B.1.1.529/Omikron vor der Tür.

Wie war das im letzten Jahr: Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind...

III.

Das Schlagwort „Gerechtigkeit“ hat auch der Prophet Jeremia seinem Volk um die Ohren gehauen.

Hat es den Mächtigen seiner Zeit um die Ohren gehauen.

Allen voran seinem König Zedekia.

Im Namen Gottes.

Direkt vor unserem heutigen Predigttext hat er es wieder zwei ganze Kapitel lang getan.

Damals trug die Bedrohung den Namen „Babylonier“.

Ein kriegerisches Volk, das andere Völker unterwarf und ihnen die Freiheit nahm.

Wie wollt Ihr gegen diese Bedrohung von außen bestehen, wenn Ihr nicht zusammensteht?

Der Grund, warum Ihr das nicht könnt, der Grund warum der Zusammenhalt, der soziale Kitt, längst weggebröckelt ist zwischen Euch, das ist die fehlende Gerechtigkeit.

Dieses Land ist tief gespalten.

Und dieser Spalt wird das Einfallstor für die Babylonier sein.

Jeremia, ein Mann, der, so hat ihn Franz Werfel in seinem großen Roman „Jeremias. Höret die Stimme“ porträtiert, „in schonungslosem Widerspruch stand stand zu seiner Zeit und Welt. Er war ein scheuer Mann, der auch die einleuchtenden und machtgebietenden Irrtümer dieser Erde nicht gebeugt haben. Denn er gehorchte keinem anderen als der Stimme Gottes, die in ihm und zu ihm sprach.“

Jeremias Prophetie ist dabei von einem tiefen Pessimismus durchzogen, von Frustration und Verzweiflung:

Ich habe dir‘s vorher gesagt, als es noch gut um dich stand; aber du sprachst: „Ich will nicht hören“ (Jer. 22,21).

Ich kann mir den Mund fusselig reden, es ändert sich ja doch nichts.

Weil Ihr Euch ja doch nicht ändert.

Weil Ihr die Wahrheit gar nicht hören wollt.

Weil Ihr Angst habt vor ihr. –

Vielleicht sind beim Chef des RKI Lothar Wieler in der vergangenen Woche ähnliche Gefühle der Frustration und der Verzweiflung zum Ausbruch gekommen, als er sagte: „Sie sehen, die Prognosen sind superdüster. Sie sind richtig düster. Es herrscht eine Notlage in unserem Land.“

Wer das nicht sehen wolle, auch jetzt immer noch nicht sehen wolle, der, so Wieler, „macht einen sehr großen Fehler.“

Es ist nicht so, als ob niemand das hätte ahnen können.

Seit Juli hatten Wieler und andere vor genau dieser Entwicklung gewarnt.

Ihre Modellierungen hatten sie vorhergesagt.

Aber man wollte die Wahrheit nicht hören.

Schon gar nicht im Wahlkampf.

Zu unpopulär.

Manches von dem, was schon früher nötig gewesen wäre, hätte sich wohl tatsächlich auch noch nicht durchsetzen lassen.

Deshalb ist es auch nicht fair, nur auf die da oben zu schimpfen, daß die geschlafen haben.

Wir haben uns doch fast alle in trügerischer Sicherheit gewiegt:

Das Schlimmste ist überstanden.

Und können/müssen nun an den Zahlen ablesen, die uns Abend für Abend in der Tagesschau präsentiert werden:

So schlimm wie im Augenblick war es noch nie in der ganzen Corona-Zeit.

Und das Schlimmste kommt unter Umständen erst noch.

Jetzt endlich kommt die Politik ins Handeln.

Getrieben von der blanken Not.

Spät. Hoffentlich nicht zu spät, um das Schlimmste doch noch zu verhindern.

Jemand, der im Rettungsdienst arbeitet, hat mir erzählt, sie haben letzte Woche einen Herzinfarktpatienten bis hoch nach Kassel gefahren.

Woanders war kein Bett mehr frei für ihn.

Das hätte man in anderen Zeiten für eine Räuberpistole gehalten.

Aber so sieht es momentan eben wirklich aus auf den Intensivstationen. Das ist die traurige Wahrheit Ende November 2021.

‚Triage‘, das Gruselwort vom Anfang der Pandemie, ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht.

Und die Gerechtigkeitsdebatten bekommen auf einmal eine tödliche Schärfe:

Ist es fair, wenn ‚freiwillig Ungeimpfte‘ jetzt anderen die Betten wegnehmen?

Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, sagen die einen.

Hat man so etwas je bei einem Raucher mit Lungenkrebs gesagt oder bei einem Schädel-Hirn-Trauma, wenn jemand betrunken aus dem Fenster gefallen ist?, empören sich die anderen.

Auch unser Land zeigt sich in der Pandemie zunehmend gespalten…

Das muß einem Sorge machen.

Mir macht es Sorge.

IV.

Jeremia hat mit seinen Worten bisher nichts ausgerichtet.

Und er ahnt, daß er mit seinen Worten auch in Zukunft nichts ausrichten wird.

Er sieht sein Volk auf die Katastrophe zutreiben.

Die Baylonier werden leichtes Spiel mit ihnen haben.

Was kann er schon tun, wenn die Leute seine Warnungen in den Wind schlagen?

Seine Frustration und Verzweiflung kennen irgendwann keine Grenzen mehr:

Seinem Gott, der ihn einst in seinen Dienst berufen hatte mit der feierlichen Anrede: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten [...] (Jer. 1,5), dem brüllt er irgendwann seine ganze Enttäuschung entgegen:

„Das ist UNFAIR!“

Warum bin ich doch aus dem Mutterleib hervorgekommen, wenn ich nur Jammer und Herzeleid sehen muß [...] (Jer. 20,18) ?

Und doch ist es derselbe Jeremia, der die Kühnheit aufbringt, von einer neuen Zeit zu träumen:

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, daß ich dem David einen gerechten Sproß erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.

Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: „Der HERR ist unsere Gerechtigkeit“.

Das ist einmal weitere scharfe Attacke, die Jeremia gegen seinen König Zedekia reitet.

Dessen Name ist nämlich ein sprechender Name, er bedeutet: Der HERR ist meine Gerechtigkeit.

Aber der Prophet will nicht einfach nur seinen König, dem es allem Anschein nach zu sehr um sich und zu wenig um andere geht, attackieren, wenn er seinerseits dem von ihm für die Zukunft ersehnten ganz anderen König einen fast gleichlautenden und doch ganz anders, ja gegenteilig akzentuierten sprechenden Namen beilegt:

Der HERR ist unsere Gerechtigkeit.

Vom Ich zum Wir!

Anders kann es nichts werden mit der neuen Zeit, von der ich träume, dieser Meinung ist Jeremia.

Wir Christen beziehen den Traum des Propheten Jeremia vom Anbruch einer neuen Zeit auf Jesus Christus.

Er hat die Gerechtigkeit, die bei Gott gilt, mit „Nächstenliebe“ übersetzt.

Vom Ich zum Wir: ,Nächstenliebe‘ steht nicht für große Gefühle, sondern für Solidarität und Verantwortung füreinander.

In diesem Sinne hat unsere Bischöfin vor ein paar Tagen gesagt, Impfung sei „ein Ausdruck aktiver christlicher Nächstenliebe“.

Solidarität und Verantwortung füreinander – eine „Kraftanstrengung“ im Politjargon –, das werden wir in diesem Corona-Advent 2021, in dem die Sehnsucht nach einer neuen Zeit so groß ist, ganz besonders brauchen, wenn wir von der neuen Zeit nicht bloß träumen, sondern zu ihrem Anbrechen jeder und jede beitragen wollen, was in unserer Kraft steht.

Gebe Gott, daß wir unsere Kraft auch nutzen!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Ralf Haunert Mittwoch, 17. November 2021 von Ralf Haunert

zum 17.11.2021

Impuls zum Buß- und Bettag

Sechzig ist das neue Vierzig. Und „Alles gut?“ das neue „Wie geht’s?“

Früher fragte man sich zur Begrüßung: „Wie geht’s?“. Das war, wenn man ehrlich ist, auch nicht immer eine Frage, an deren Antwort man ehrlich interessiert war. Zumindest nicht bei jedem. „Wie geht’s?“, das war in vielen Fällen eine Frage der Höflichkeit, und als Gefragter wußte man auch einzuschätzen, in welchen Fällen es mehr war als das.

Doch immerhin: Die Frage: „Wie geht’s?“ als solche war offen. Sie ließ als Antwortmöglichkeiten alles zu. Von: „Einfach wunderbar!“ über: „Es geht so…“ bis hin zu: „Im Augenblick gar nicht gut“.

Die Frage: „Alles gut?“ läßt nicht soviel Spielraum. Sie läßt als Antworten eigentlich nur ein Ja oder ein Nein zu. Und formuliert als Erwartungshaltung unausgesprochen, aber deutlich ein Ja als Antwort. Denn ein Nein klänge ja doch gleich ziemlich nach Drama-Queen.

„Alles gut“, das kann übrigens nicht nur eine Frage, sondern auch eine Antwort sein. „Hast Du Dir wehgetan?“, frage ich meine Tochter Levke. Und sie antwortet mir: „Alles gut, Papa!“

II.

Sprache verändert sich. Das finde ich an sich auch gar nicht schlimm. Aber dieses ewige „Alles gut?!“, das sich unterdessen in der Kommunikation breitgemacht hat, geht mir auf die Nerven. Auch, weil es sich in meinen eigenen Sprachgebrauch eingeschlichen hat. Ich bin jedesmal ein bißchen genervt von mir, wenn ich selbst so frage oder antworte – Himmelherrgott, denke ich, wann ist denn jemals ALLES gut? Warum muß denn immer ALLES gut sein? Was für eine Erwartungshaltung, die sich darin ausspricht…

In meinen Augen eine ungeheuer problematische. Weil sie einer Perfektion das Wort redet, die letztlich unmenschlich ist. Aber das Leben ist nun mal nicht perfekt. Wir sind nicht perfekt. Das muß auch sagbar bleiben.

Das Motto dieses Buß-und Bettags: „Alles wieder gut?“ läßt anklingen, daß eben nicht immer alles gut ist.

„Alles wieder gut?“ Wie gern würden wir das wenigstens bezogen auf die Corona-Pandemie konstatieren.

In diesen Tagen vollaufender Intensivstationen brauche ich dazu im Grunde gar nichts weiter zu sagen.

Und dann diese Schizophrenie: In Bayern, Luftlinie 15km von uns, gilt bereits der Katastrophenfall, und in Köln feiern sie – ja, unter 2G – unverdrossen Straßenkarneval. Wollen sich scheinbar ein Stück Normalität zurückholen in diesen Ausnahmezeiten.

„Alaaf! Heute als ‚Sexy Krankenschwester‘ auf der Zülpicher Straße, an Weihnachten als ‚Sexy Intubierte‘ in der Uniklinik!“, ätzte der Satiriker Jan Böhmermann in einem Tweet.

Steht zu hoffen, daß Böhmermann mit seiner düsteren Prophezeiung nicht recht behält.

III.

„Alles wieder gut?“ Dieser Tag, der Buß-und Bettag, mahnt die Verantwortung an, die wir füreinander haben. Er hat Signalcharakter: Wo kann das, was nicht gut ist, gut oder zumindest besser werden, dadurch, daß wir Verantwortung füreinander übernehmen, verantwortlich und solidarisch handeln?

(Sich impfen zu lassen, ist – noch – in die Verantwortung des einzelnen gestellt. Es nicht zu tun, hat also jedermann das Recht. Ob es unabhängig vom eigenen Krankheitsrisiko in einem gesamtgesellschaftlichen Sinne verantwortlich ist, es nicht zu tun, auch das sollte man sich überlegen.)

„Alles wieder gut?“ Dieser Tag, der Buß-und-Bettag, hat noch in einer zweiten und vielleicht grundsätzlicheren Hinsicht Signalcharakter: Er durchbricht schon dadurch, daß es ihn gibt, die Tyrannei des „Alles-hat-gut-zu-Sein“.

Schon dadurch, daß es ihn gibt, macht er sichtbar, daß manches nicht gut ist. Und daß es wichtig ist, sich das eingestehen zu können. Es sich eingestehen zu dürfen.

IV.

Ich habe von jemandem gehört, der, wenn ihm auf die Frage: : „Wie geht’s?“ (manche fragen ja ganz altmodisch immer noch so und nicht: „Alles gut?“) geantwortet wird: „Ich kann nicht klagen“ jedesmal konsequent entgegnet, da helfe nur: „Üben, üben…

Ralf Haunert Sonntag, 18. April 2021 von Ralf Haunert

an die Opfer der Corona-Pandemie

Gebet zum Gedenken

Das Leben hat sich verändert.

Es ist neu und fremd geworden im letzten Jahr.

Auf vieles mussten wir verzichten.

Manches haben wir neu gelernt.

Einiges haben wir verloren.

Gott, wir klagen Dir, was uns traurig macht,

hilflos und verzweifelt.

Wir legen Dir die Menschen an das Herz,

die wir verloren haben.

Wir klagen Dir ihr Leiden und ihren Tod.

Wir klagen Dir die nicht vollzogenen Abschiede.

Wir klagen Dir die fehlende Nähe.

Wir klagen Dir die Einsamkeit.

Wir klagen Dir die zerbrochenen Lebensträume.

Wir klagen Dir den fehlenden Atem zum Leben.

Wir klagen Dir die Hand, die nicht gehalten werden konnte,

die Umarmungen, die ausblieben, die Worte,

die nicht gesagt wurden,

die Blicke, die nicht getauscht wurden.

Dein Weg zu uns, Gott, ist der Weg eines Menschen,

der all das kennt.

Du bist da, hörst und siehst.

Darauf vertrauen wir und darauf, dass Dein Weg

hindurch führt durch Leid und Tod.

Gott und Schöpfer,

Jesus Christus und Mensch

Heiliger Geist und Lebensatem.

Amen.

(Quelle: www.kirche-bremen.de)

Kerstin Berk Sonntag, 21. März 2021 von Kerstin Berk

Impuls 21.3. 21 Sonntag Judika Thema:

Nest bauen

Die Schwalbe hat ein Nest für Ihre Jungen heißt es im Psalm 84. Die Schwalbe, von Gott in die Welt geworfen und dabei mit einem sicheren Ort ausgestattet und geborgen.

Ein Nest- kein Schwalbennest, aber ein Vogelnest. Wie gekonnt so ein Nest konstruiert und gebaut ist, ein architektonisches Wunderwerk. Und diese Kunstfertigkeit wird noch dadurch verstärkt, dass solch ein Nest oft an unwirtlichen Orten gebaut ist: mit wenig Fundament, hängend hoch im Baum oder in einem wackligen Busch oder zwischen ein paar Balken. Ein Nest, der Nestbau, das ist etwas, dass uns berührt und jetzt im Frühjahr bekommen wir das von den Vögeln wieder vorgemacht, wie es geht. Mit wieviel Vertrauen sie anfangen zu bauen, manchmal ihr Nest zerstört vorfinden und wieder von neuem beginnen. Und wenn man sich das fertige Exemplar hier so anschaut, dann sieht das einfach sehr einladend und sicher und geborgen aus. Da werden die Eier hineingelegt, die Jungen aufgezogen und geschützt vor Kälte und vor den Feinden. So ein Nest, das ist etwas Schönes, Erstrebenswertes.

Hart dagegen steht ein Wort Jesu, dass er einem gesagt hat, der wissen wollte, wie er ihm nachfolgen kann. Jesus sagt: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Das macht mich erstmal traurig: Jesus hat in der Welt keine Heimat, er ist auf der Durchreise. In der Welt, aber nicht von der Welt. Und ja, er wird wieder von dieser Welt gehen, wir bereiten uns in diesen Tagen darauf vor. Aber irgendwie will ich mich damit nicht einfach so abfinden: Kein Ort für den Sohn Gottes, nirgendwo. Das kann doch gar nicht sein. Selbst die Schwalbe hat ein Nest, sogar ganz nah bei Gottes Heiligtum, sagt Psalm 84. Und Jesus selbst sagt in der Bergpredigt: Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? Wir alle, wie die Vögel und noch viel wertvoller, von Gott bewahrt und beschützt. Aber Jesus selbst hat keinen Zufluchtsort, keine Heimat.

Und dann schau ich das Nest an, und kann das eigentlich nicht fassen: Können wir nicht ein Nest bauen, in dem der Menschensohn auch Platz findet? Einen Ort in unserem Leben, in dieser Welt, wo er ganz da ist mit allem, was er wollte, was er uns mitgegeben hat, was wir von ihm brauchen, wo wir uns ganz eng mit ihm verbinden? Ist das denn nicht möglich? Hat Gott das nicht gewollt? Haben Menschen es nie geschafft, den Sohn Gottes aufzunehmen, wirklich und wahrhaftig?

Vielleicht ist es das: Wir sind nicht so gut im Nestbau. Oder wir können das nur, wenn es um unsere ganz eigenen Belange geht. Wir tun uns schwer, Nester zu bauen, für uns und andere und Gott. Nester und Zufluchtsorte, dort wo sie gebraucht werden. Ein Nest, gebaut aus herzlichen Verbindungen, geformt aus unserer Liebe, unserem Respekt füreinander. Ein Nest, gewoben aus den guten Worten, die wir füreinander finden können, aus der Hilfe und dem Trost, den wir uns gegenseitig geben. Ein Nest, zusammengehalten vom Glauben an Gott, der die Welt segnet und uns befähigt in dieser Welt das Gute zu suchen und umzusetzen. Ein Nest, dass selbst in einer Pandemie Zuflucht ist, das auf schwankenden Ästen, ohne festen Boden, dennoch Halt gibt.

Ein Nest, wie einladend, wie phantastisch es ist. Ich glaube, viele sehnen sich nach einem Nest, dass sie birgt, dass sie ganz nah mit der Kraft und der Liebe Jesu in Kontakt bringt, dass ihnen dann eine Startfläche bietet, um die Flügel auszubreiten und das Leben zu bestehen.

Ein Nest, von dem Jesus sagen könnte: Ja, so soll es unter euch ein, dann bin ich mitten unter Euch. Dann ist Jesu Leben und Sterben und Auferstehen nicht nur ein flüchtiger Moment, sondern dann können wir auf die lebendige Hoffnung wirklich bauen. Dann können wir in dieser Welt Jesus selbst erfahrbar machen, sein Gottvertrauen, seine Liebe zum Leben und seine Nähe.

Caroline Miesner Sonntag, 14. Februar 2021 von Caroline Miesner

„Alles hat seine Zeit…“ (Prediger 3)

Impuls zum Sonntag Estomihi (Faschingssonntag)

Liebe Gemeinde!

Ende Januar wollte ich auf den Friedhof in Niedergründau, und da viel Schnee gefallen war, zog ich es vor, auf dem gut geräumten Parkplatz des Dorfgemeinschaftshauses zu parken. Als ich ausstieg empfing mich ein Schneemann, der über und über mit Luftschlangen geschmückt war und eine Narrenkappe auf dem Kopf hatte. Ich vermute, dass es ein einsamer Jeck der Schiwwerberger war.

Heute ist Faschingssonntag, in normalen Zeiten ein Ausnahmetag mit Fastnachtsumzügen und vielen verkleideten Menschen auf den Straßen. Jetzt aber, in diesen Ausnahme-Zeiten ist es ein ganz normaler, weitgehend stiller Sonntag. Der Verzicht, der derzeit unseren Alltag bestimmt, macht auch vor dem Karneval nicht halt. Und wie an vielen anderen Stellen auch, wird uns durch das Verzichten deutlich, was wir am Karneval eigentlich so mögen: Viele Menschen vermissen es, mit anderen zusammen zu sein und ausgelassen feiern zu können. Sie vermissen es, zu lachen. Für die Jugendlichen in den Vereinen, die das ganze Jahr für ihren Show-Tanz üben, sind die Prunksitzungen eine Möglichkeit zu zeigen, was in ihnen steckt. Es ist ein Moment, um über sich selbst hinaus zu wachsen. Und für viele Menschen im Publikum bietet der Karneval die Möglichkeit, sich mal von einer ganz anderen Seite zu zeigen als sonst. „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, ich komme nur so selten dazu.“, hat der Schriftsteller Ödön von Horváth einmal gesagt. Der Karneval bietet die Möglichkeit, einmal ganz anders zu sein, sich zu verkleiden und einfach mal für ein paar Stunden in eine andere Rolle zu schlüpfen. Wild und Hippie-mäßig zu sein, elegant oder verführerisch, ganz wie es beliebt. Der Karneval ist eine Unterbrechung unseres Alltags, der oftmals durchgetaktet ist und in dem vieles als ganz selbstverständlich hingenommen wird. An Fastnacht aber darf die Welt für ein paar Tage Kopf stehen.

Doch in diesem Jahr müssen wir auf diese „tollen Tage“ aus verständlichen Gründen verzichten, obgleich wir uns im Alltag in noch viel höherem Maße disziplinieren müssen als sonst. Was soll man da noch sagen? Mir hilft im Moment ein biblischer Text, den ich früher immer als sehr nüchtern empfunden habe. Im Buch Prediger heißt es: „Alles hat seine Zeit und ein jegliches Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“ Unter den vielen Gegensätzen, die dann aufgeführt werden, heißt es auch: „Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit. Klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit.“ Und so bin ich überzeugt, dass auch die Zeit kommt, in der der einsame Schneemann nicht mehr der einzige Jeck am Niedergründauer Dorfgemeinschaftshaus sein wird.

Auch der Psalm, der dem heutigen Sonntag zugeordnet ist, spricht von der Zeit. Von unserer Lebenszeit, die wir manchmal glücklich verbringen und in der wir manchmal auch angefochten und traurig sind, die wir nutzen oder verplempern, die manchmal wie im Fluge vergeht und sich dann wieder zieht wie Kaugummi. Im 31. Psalm heißt es: „Ich aber, Herr, hoffe auf dich und spreche: du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen.“ Der Autor der Psalms bringt mit diesen Worten zum Ausdruck, dass er sich in den Höhen und Tiefen seines Lebens bei Gott geborgen weiß. Er weiß darum, dass das Gelingen seines Lebens von einem anderen abhängt; von Gott, dem er sein Leben bewusst in die Hände legt. Dieses Loslassen und sich Gott anvertrauen können verleiht eine heitere Gelassenheit, in normalen Zeiten und in solchen Ausnahmenzeiten wie jetzt. So wie es der Christ und Kabarettist Hanns Dieter Hüsch beschreibt:

Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.
Gott nahm in seine Hände meine Zeit.
Mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
Das Elend und die Zärtlichkeit.

Was macht, dass ich so fröhlich bin
in meinem kleinen Reich.
Ich sing und tanze her und hin
vom Kindbett bis zur Leich.

Was macht, dass ich so furchtlos bin
an vielen dunklen Tagen.
Es kommt ein Geist in meinen Sinn,
will mich durchs Leben tragen.

Was macht, dass ich so unbeschwert,
und mich kein Trübsal hält,
weil mich mein Gott das Lachen lehrt,
wohl über alle Welt.

Und so wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass Sie auch ohne Karneval in diesen Tagen manchmal aus voller Kehle lachen können, dass sie wohlgemut und zuversichtlich sind, weil Gott auch Ihre Zeit in seinen Händen hält. Amen

Kerstin Berk Sonntag, 24. Januar 2021 von Kerstin Berk

Impuls zu Psalm 86

Impuls am 3. Sonntag nach Epiphanias

Die Krise trifft alle: manche besonders wirtschaftlich, manche in der Sehnsucht nach Bewegung, Sport, Reisen, manche, weil sie keine Gottesdienste live besuchen können. Andere sind hart betroffen, weil sie oder Menschen aus ihrem Umfeld hochgefährdet oder erkrankt oder verstorben sind.

Was die Meisten von uns aber über all die Unterschiedlichkeiten hinaus verbindet, ist die Erfahrung von Isolation. Alles, was an Kontakten normal und lebenswichtig war, ist nicht so möglich, wie wir es eigentlich wollen und brauchen. Werden wir gerade alle zu Autisten? Sprachunfähig, kontaktgestört, vereinsamt? Und merken wir das irgendwann überhaupt noch? Und werden wir irgendwann wieder ganz ungezwungen jemandem um den Hals fallen, Schulter an Schulter zusammensitzen, Brot teilen und eine Becher weitergeben? Und stört es uns eigentlich noch, wenn nicht?

Ich will da raus. Ich will mich nicht daran gewöhnen. Ich will die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Menschen, nach neuen Begegnungen und alten Freundschaften nicht verlieren. Ich will ein Gegenüber. Jetzt! Ein Gebet, ein Hilferuf, ein Psalm Davids. Ich leihe mir ein Wort, ein Bild.

Aus Psalm 86 Ein Gebet Davids.

Gott, neige dein Ohr und erhöre mich; denn ich bin elend und arm.

Bewahre meine Seele, denn ich bin dir treu. Hilf du, mein Gott, deinem Knechte, der sich verlässt auf dich. Gott, sei mir gnädig; denn ich rufe täglich zu dir.

Erfreue die Seele deines Knechts; denn nach dir, Gott, verlangt mich.

Denn du, Gott, bist gut und gnädig, von großer Güte allen, die dich anrufen.

Vernimm, GOTT, mein Gebet und merke auf die Stimme meines Flehens!

In der Not rufe ich dich an; du wollest mich erhören!

Gott, es ist dir keiner gleich unter den Göttern, und niemand kann tun, was du tust. Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und vor dir anbeten, Gott, und deinen Namen ehren, dass du so groß bist und Wunder tust und du allein Gott bist.

Weise mir, GOTT, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.

Ich danke dir, Gott, mein Gott, von ganzem Herzen und ehre deinen Namen ewiglich. Denn deine Güte ist groß über mir, du hast mein Leben errettet aus der Tiefe des Todes.

Neige dein Ohr und erhöre mich, Gott. Wie phantastisch ist das denn? Ein Ohr für mich, dass sich mir sogar zuneigt, ganz nah kommt, alles hören und wissen will, was mit mir ist. Ich bin arm und elend. Das darf ich hinausschreien. Arm an Begegnungen, elend, kraftlos, unmotiviert, ausgebremst. Das will ja keiner hören?! Doch, da neigt sich ein Ohr zu mir und ich kann es aussprechen. Und bitten, dass jemand meine Seele, also mein Leben wahrnimmt und mich hält und bewahrt. Das ist ein Gegenüber, dem ich vertrauen darf, das all das mitträgt.

Vielleicht ist Gott sogar vor allem und „ganz Ohr“. Aber nicht nur. Sein Dasein kann mich sogar wieder erfreuen mit dieser Erfahrung: Ich werde erhört. Nicht nur gehört, nein, sondern auch ernstgenommen in meiner Not. Und nicht nur mir neigt sich Gottes großes Ohr zu - dieses Privileg dürfen wir alle genießen. Und im Gespräch, im Klagen und Bitten, im Hoffen und Glauben, verändert sich etwas, verändern wir uns.

Ein Gespräch wird möglich und ja, es ist ein Austausch. Einsamkeit wandelt sich, aus dem Alleinsein schält sich ein Ich und ein Du heraus. Welche Wohltat. Und eine gute Übung, damit wir das Kommunizieren nicht verlernen. Damit wir uns erlauben, zu flehen, unser Verlangen zu formulieren, das Wunder spüren, uns aufgehoben wissen, uns selbst aus der Tiefe des Todes herausgehoben wissen. Eine Wunderübung.

Und das Beste kommt erst noch im Psalm Davids. Nicht nur Ich und Du, sondern alle Welt, alle Völker, alles was lebt, kann eintreten in diesen Austausch. Alle Völker werden kommen, die Du gemacht hast. Ich fange bei mir an und komme zu Gott und über diesen Gott, komme ich an in der Weltgemeinschaft. Allein das, durchbricht die Isolation und Entfremdung. Gott wendet sich uns ganz persönlich zu und verbindet uns zugleich mit allem, was lebt. Den Blick heben, sich aufrichten: das bedeutet auch zu sehen, dass alles und alle zusammenhängen. In der momentanen Krise tritt das klar hervor und kommt doch sooft nicht zum Tragen, wird nicht tragfähig. Ich und Du und diese Welt können nur gemeinsam wirkliches Heil, Heilung, wirklich Frieden, Shalom finden, wenn wir zusammenhalten und aneinander anknüpfen. Das zeigt sich in einer weltweiten Pandemie nochmal ganz neu. Und es ist eine Aufgabe und eine Chance.

Neige dein Ohr, Gott und hilf uns zu reden und zu hören, damit wir Gerechtigkeit und Frieden auf den Weg bringen, bei uns und allüberall. AMEN

Kerstin Berk Samstag, 31. Oktober 2020 von Kerstin Berk

Impuls zum Reformationstag 31.10.2020

Auf der Suche

In diesen Tagen um den Reformationstag, mitten in der Krise, sind wir kaum in der Lage festen Boden unter die Füße zu bekommen. Aber viele von uns sind auf der Suche nach Entlastung, nach Gewissheit und Glauben, nach Nähe. Martin Luther war vor 500 Jahren, geschüttelt von privaten und gesellschaftlichen Krisen, auch auf der Suche. Wie finde ich einen gnädigen Gott? - das war seine Frage. Einen Gott, der mich ansieht, wie ich bin, mich aushält, mich hält, was auch geschieht. Luther fand eine Antwort im Römerbrief, den er intensiv durchgearbeitet hat. In Römer 3, 28 stößt er auf den, für ihn entscheidenden Satz: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

In diesen Monaten ist es ja vielleicht genau das unser Problem. Glauben wir eigentlich fest genug? Vertrauen wir stark genug? Und möglicherweise schwingt dabei mit, dass, wenn wir das alles nicht gut genug hinkriegen, Gott sich von uns abwendet. Mitten in der Krise steht auch das auf dem Prüfstand.

Ich will diese Wahrnehmungen auch nicht einfach wegwischen und bagatellisieren. Es tut weh und verunsichert, wenn Menschen Gott als fern erleben. Und es ist die Frage, wie da wieder eine Brücke gebaut werden kann. Martin Luther hat seine Gottesferne versucht durch die Zusagen der Bibel zu überbrücken.

Auch im oben erwähnten Römerbrief gibt es noch mehr heilsame und versöhnende Worte. Mir ist in diesen Tagen eine Stelle wieder neu ins Auge gesprungen, weil mich eine moderne Fassung dieses Textes aufgerüttelt hat. Der Vers aus Römer 8, 38 und 39 heißt: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Die Variante des Liedermachers und Poeten Andi Weiss, bringt den vertrauten Paulustext aus dem Römerbrief in die Zusammenhänge, in denen wir gerade bestehen müssen:

Denn ich bin gewiss,

dass weder ein Virus, noch eine andere Krankheit,

weder Langeweile oder Einsamkeit,

weder soziale Distanz, noch Kurzarbeit,

weder drohende Insolvenz noch kräfteraubendes Homeschooling,

weder fehlendes Klopapier noch Fakenews auf Facebook,

weder große Krisen, Angst, Zweifel

oder selbst der Tod mich trennen können von der Liebe Gottes!

Daran will ich mich festhalten, das soll der Boden sein auf dem ich stehe. Und vielleicht kann diese unzerstörbare Liebe Gottes auch der Grund sein, auf dem Sie stehen und Halt finden können. Nichts kann uns trennen, weil Gott sich nicht von uns trennt. Gott bleibt in uns und bei uns mit Liebe, die durch nichts in Frage gestellt wird, auch nicht durch uns.

Ihre Pfarrerin Kerstin Berk

Gebet:

Wir danken dir Gott, dass wir nicht alleine sind,

mit unserem Glauben,

mit unseren Fragen und Sorgen,

mit Genervt sein und Ermüdung.

Du, Gott, kennst die Grenzen der Kraft,

kennst die Unüberschaubarkeit in der momentanen Lage.

Du, Gott, kennst die Angst, etwas schuldig zu bleiben.

Lege Deinen Segen auf uns. Stärke unser Miteinander.

Unseren Zielen gib das rechte Maß0.

Unserem Vertrauen gib den rechten Grund.

Vater Unser

Ralf Haunert Sonntag, 27. September 2020 von Ralf Haunert

Besonnenheit

Liebe Gemeinde

 

I.

Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

 

Dieser Vers aus dem 2. Timotheusbrief ist am Anfang der Coronazeit so etwas wie ein Refrain der kirchlichen Verlautbarungen zur Sache gewesen. Kaum einmal hat er gefehlt, der Hinweis, daß uns nicht der Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit von Gott gegeben sei.

 

Auf mich wirkte das zuweilen fast schon ein wenig inflationär, muß ich gestehen.

 

Nun ist es ja zweifellos richtig, daß dies der Geist ist, der uns als Christen beseelen sollte.

Und richtig ist auch, daß zumal am Anfang der Coronazeit viel Sorge und Furcht herrschte angesichts der unbekannten und in ihrem Bedrohungspotential schwer einzuschätzenden Gefahr.

 

Grundsätzlich ist Besonnenheit nicht nur, aber besonders in Gefahrenlagen ein guter Ratgeber. Und Angst eben nicht.

 

II.

In den letzten Monaten ist vielen, was Corona angeht, die Angst aber anscheinend wieder so ziemlich vergangen. Das hat auch damit zu tun, daß wir Deutschen, anders als andere Nationen, bislang ja ganz gut durch die Coronakrise gekommen sind.

 

Die erwarteten Engpässe auf den Intensivstationen hat es bei uns nicht gegeben. Die Fernsehbilder aus Italien, Spanien, dem Elsaß, später aus Brasilien und den USA sind bei uns nicht Realität geworden.

 

Zudem tritt bei permanenten oder zumindest auf gewisse Dauer gestellten Gefahren irgendwann ja unweigerlich ein gewisser Gewöhnungseffekt ein.

 

Und was zunächst alternativlos und unverhandelbar erschien: Jede Maßnahme, egal wie einschneidend sie sei, rechtfertigt sich durch den Schutz des Lebens, ist mittlerweile ich will nicht sagen: differenzierterer Betrachtung gewichen; doch werden mittlerweile auch andere Faktoren in die Betrachtung einbezogen.

 

Wie lange darf, wie lange kann ein Land stillstehen, bis die gesellschaftlichen Folgeschäden ein vertretbares Maß übersteigen?

 

Im Falle der Schulen ist das ja ausgiebig diskutiert worden. Welcher Schaden entsteht an Bildungskarrieren, wenn noch mehr als ein halbes Schuljahr ausfällt? Was ist mit den Kindern besonders im Grundschulalter, die zu Hause nicht die Förderung erfahren, ohne die Homeschooling zu einer sinnfreien Angelegenheit wird? Oder mit den Kindern, die im Elternhaus Mißhandlungen ausgesetzt sind? Ist es nicht wichtig, hier wieder staatlichen Einblick und Kontrolle zu gewinnen? Doch wie soll das gehen, wenn der Kontakt zwischen Lehrern und Schülern sich auf Videokonferenzen beschränkt?

Aber auch z.B. beim Tourismus und im Gastronomiegewerbe hat man gelockert, und natürlich spielte es dabei auch eine Rolle, daß Arbeitsplätze und unternehmerische Existenzen daran hingen/hängen.

 

In einigen Bereichen des öffentlichen Lebens gelten noch Ausnahmebestimmungen.

In anderen Teilbereichen ist es inzwischen wieder hochgefahren worden. In den Schulen und Kindergärten herrscht weitgehend Normalbetrieb.

(Welche Probleme das bereitet, dazu könnte uns einer unserer Kirchenvorsteher, der im Staatlichen Schulamt arbeitet, jetzt bestimmt einiges erzählen...)

 

III.

Doch ist das nun Konsequenz von Besonnenheit im „paulinischen“ Sinne?

Oder ist es –  wenigstens auch –  die Konsequenz von Sachlogiken, denen sich die Verantwortungsträger in der Politik nicht entziehen konnten?

 

Auch wir als Kirche (d.h. konkret: wir als Kirchengemeinde „Auf dem Berg“) können diese Sachlogiken nicht einfach außen vor lassen. Wir wollen ja ein Faktor im Leben der Menschen bleiben. Wenn jetzt also die Jugendarbeit der Vereine wieder beginnt, müssen wir irgendwie nachziehen.

Oder wir lassenʼs eben doch außen vor und sagen: unsere Risikobewertung ist eine andere, wir machen das jetzt so noch nicht.

 

Aber können wir uns eine abweichende Risikobewertung wirklich erlauben?

 

Dabei fühlen wir uns ja zu besonderer Vorsicht auch deswegen veranlaßt, weil organisierte Religion unter Corona-Bedingungen nach einzelnen Vorfällen, die es gab (freilich nicht im evangelisch-landeskirchlichen oder katholischen Bereich) aus Sicht der Politik vor allem ein Sicherheitsrisiko darzustellen scheint, wie der Wiener Theologieprofesser Ulrich H.J. Körtner – damals wohl mit Blick auf die geöffneten Baumärkte bei gleichzeitigem Gottesdienstverbot – in einem Beitrag für eine theologische Zeitschrift zuspitzend formuliert hat.[1]

 

Ein drastisches Beispiel für diese Sichtweise, daß für die Kirche(n) auch jetzt noch Sonderregeln gelten würden (ich spreche im Konjunktiv!), war die BILD-Ausgabe von letzter Woche Samstag. Die titelte: Bordelle wieder geöffnet – und in der Kirche darf nicht gesungen werden! (Nun darf ja ab heute auch in unserer Kirchengemeinde wieder gesungen, wenn auch in reduziertem Umfang und nur mit Maske. Insofern ein Grund weniger zur Aufregung. Manche sollen es ja sogar genossen haben, daß in den Gottesdiensten eine Zeitlang das Singen von Solisten statt von der Gemeinde besorgt wurde bzw. noch wird.)

 

Und es sind auch gar nicht nur die Dinge gewesen, die uns anfangs von außen aufdiktiert wurden. Auch auf kirchlicher Seite selbst gab es in den letzten Monaten ja auch immer wieder mal die Überlegung, wir als Kirche sollten uns mehr Zeit lassen als andere mit dem „Wiederauftauchen“, um gesellschaftspolitisch ein Zeichen zu setzen – und weil wir es uns von unserer Angebotsstruktur her, die nicht einnahmeorientiert ist, eher leisten könnten als andere.

 

Doch wieviel Zeit darf man sich lassen, um nicht abgehängt werden?

 

Es gibt inzwischen auch ja in unserer Gemeinde durchaus kritische Stimmen, die sagen:

Wo ist Kirche eigentlich? Müßtet Ihr nicht langsam mal noch einiges mehr an Normalisierung zulassen?)

 

Und da wir nicht die einzige Organisation sind, die sich das fragt bzw. gefragt wird, sondern alle anderen eben auch, entsteht so leicht ein Sog, in den dann auch diejenigen geraten, die die rahmensetzenden Entscheidungen treffen.

 

Denn auf die Dauer läßt sich ja – unter den Bedingungen einer Demokratie – nicht gegen einen anderslautenden gesellschaftlichen Konsens anregieren, selbst wenn es gute Argumente dafür gäbe, es zu tun...

 

IV.

Kein Geist der Furcht, sondern der Geist der Besonnenheit.

Gar nicht so einfach zu sagen, was Besonnenheit ist.

 

Besonnener, umsichtiger, weitsichtiger als andere zu sein, nehmen ja im übrigen auch die für sich in Anspruch, die jetzt in Berlin und anderswo gegen die Coronamaßnahmen protestieren.

Und es ist zumindest die Frage, ob man die Dinge nicht ein bißchen zu sehr vereinfacht, wenn man bei denen nur „Covidioten“ und Verschwörungstheoretiker zugange sieht.

(Obwohl es andererseits schon wahr ist, daß man schauen muß, mit wem zum Teil man sich da gemein macht. Schlechter Umgang verdirbt die guten Sitten – auch das eine biblische Einsicht.)

 

Sagen können wird man aber immerhin, daß die Besonnenheit, die Umsicht und Weitsicht, die die staatlichen Stellen in den zurückliegenden Monaten bei uns zulande bewiesen haben, sich jetzt im Ergebnis gleichsam gegen sie zu richten beginnt:

 

Es ist der Fluch des Erfolgs, der sich in den Corona-Protesten jetzt zeigt.

Wäre es schlechter gelaufen, würde das, was an Einschränkungen derzeit gilt – in den kommenden Monaten kommt womöglich ja wieder mehr hinzu – eine ganz andere Evidenz besitzen.

 

V.

Und was fangen wir also gerade jetzt mit der „paulinischen“ Besonnenheit an?

Ulrich Körtner berichtet in seinem schon einmal zitierten Beitrag folgende Episode vom Anfang der Corona-Zeit:[2]

 

„Dienstag, 21. April, am späten Abend. Markus Lanz moderiert im ZDF die x-te Talkrunde zur Corona-Krise. Im Studio der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der Virologe Henrik Streeck aus Bonn sowie die Schriftstellerin und Philosophin Thea Dorn. Zunächst dreht sich das Gespräch um Schutzmasken, um neueste Studien zu Covid-19 und um Prognosen, wie man der Pandemie und der Folgen der Corona-Krise Herr werden kann.“

 

Also das gleiche, was jetzt immer noch in jeder Corona-Talkrunde verhackstückt wird.

 

Dieses Gespräch jedoch, so Körtner, habe sich dann unvermutet zu einer Sternstunde im üblichen Talkshowbetrieb entwickelt: „Woraus können Menschen in der Corona-Krise noch Trost schöpfen, zumal die Sterbenden und ihre Angehörigen? „Genau das“, weiß der Theologieprofessor, „ist ja die berühmte Eingangsfrage des Heidelberger Katechismus, den im Studio selbstverständlich niemand auf dem Schirm gehabt habe: ,Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?‘ Thea Dorn bekennt offenherzig, sie sei kein gläubiger Mensch. Sie gehöre eher zu den ,strukturell trostlosen Menschen‘. Die Autorin legt nach: ,Wir sind eine vom Glauben abgefallene Gesellschaft‘, die nicht mehr an ein Paradies oder das ewige Leben glaubt.“

 

Aber dann, sagt Körtner, kam es: „Frau Dorn erzählt, wie sie in Hamburg auf dem Weg zum Studio an einer Kirche vorbeigekommen sei. Draußen hing ein großes Transparent mit einem Zitat aus einem der Paulusbriefe. ,Und ich‘, so die Philosophin, ,hätte nicht gedacht, dass ich mal in einem Fernsehstudio sitzen würde und sagen werde: Der klügste Satz, den ich heute gehört habe, war ein Bibelzitat von Paulus! Und zwar stand da drauf: ‚Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit‘.‘ Der Satz habe sie „in einer gewissen Weise umgehauen, weil ich den Eindruck habe, wir lassen uns im Augenblick massiv vom Geist der Furcht leiten und nicht vom Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Und ich glaube, dass das nicht gut ist, wenn die Gesellschaft anfängt, sich vom Geist der Furcht bestimmen zu lassen.‘“

 

Genau, habe ich mir gedacht, als ich das jetzt für heute wieder las, im Grunde geht es ja auch gar nicht darum, was wir mit biblischen Botschaft ,anfangen‘.

Sondern es geht darum, was sie mit uns anfängt, wenn sie uns trifft.

So, wie sie die bekennend atheistische Philosophin Thea Dorn unvermutet auf dem Weg zum Fernsehstudio getroffen (bzw. umgehauen) hat.

 

Den Sachlogiken entziehen können wir uns institutionell als Kirche sowenig wie alle anderen auch.

Was nicht heißt, daß sich wieder eröffnende Handlungsspielräume und -optionen nicht aktiv zu nutzen wären. 

Und natürlich müssen wir zusehen, daß wir als Kirche so gut wir irgend können durch die Krise steuern – d.h. institutionell sichtbar bleiben.

 

Aber, und das ist mir an der Episode mit Thea Dorn mal wieder neu deutlich geworden:

Das ist kein Selbstzweck.

Unser kirchlicher Auftrag ist nicht die eigene Daseinserhaltung.

 

Wir sind dazu da, einer Gesellschaft, die ja tatsächlich – und das nicht erst seit Corona –  strukturell trostlos zu werden droht, etwas zu sagen, was sie sich eben nicht selber sagen kann:

 

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

 

Und das, da korrigiere ich meinen anfänglichen Eindruck, ist wohl etwas, das in diesen Zeiten – man muß dabei jetzt wirklich nicht nur an Corona denken –  besser einmal öfter als zu wenig gesagt wird.

 

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Edda Deuer Sonntag, 6. September 2020 von Edda Deuer

ein Impuls

Damit die Seele keinen Schaden nimmt...

„Denn was hülfe es dem Menschen,

wenn er die ganze Welt gewönne

und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Mt. 16,26

 

Eigenwillig dieser Vers aus dem Matthäusevangelium;
ungewohnte Konjunktive, zahlreiche Umlaute, irgendwie aus der Welt gefallen!

"Alte Kirchensprache!", mögen Sie jetzt denken. Und ich muss gestehen, dass es mir zunächst ebenso ging. Natürlich kenne ich dieses Wort aus dem Matthäusevangelium. Aber seit dem letzten Treffen mit den Mitarbeitenden des Besuchskreises unserer Gemeinde begleitet es mich in besonderer Weise.

Bei unseren Treffen gibt es zum Abschluss immer eine Karte zum Sammeln oder Weitergeben, mit einem Gebet oder Bibelvers, mit einem Liedvers oder einem Segenswunsch. Und bei unserem Treffen im August war das dieser Bibelvers auf einem Bild mit einer Wäscheleine, auf der einige bunte Alltagsmasken zum Trocknen aufgehängt waren.

Dafür sorgen, dass die Seele keinen Schaden nimmt… das klingt verlockend und verheißungsvoll. Aber wie soll man das in diesen Corona bedingt eigenwilligen Zeiten machen? Nichts kann man wirklich planen, weil morgen schon andere Regeln gelten können. Menschen treffen und das Miteinander genießen ist nur eingeschränkt möglich. Und für diejenigen, für die Sicherheit die Grundvoraussetzung für einen guten Alltag ist, sieht es auch nicht besser aus. Kein Wunder, dass unser aller Seelen angeknabbert sind. Unsere Seelen brauchen dringend Fürsorge, so wie unsere Körper den Schutz der Masken brauchen.

Gut, wer da in sich hineinhorchen und herausfinden kann, was ihm oder ihr hilft. Ein Telefonat oder ein Spaziergang mit der besten Freundin? Ein Bier oder ein Treffen mit dem besten Freund? Ein gute Buch? Eine Auszeit bei guter Musik? Gut, wer da mit anderen reden kann und so die eine oder andere hilfreiche Idee bekommt.

Gut, dass wir als Christ*innen auf einen wahren Schatz an Spickzetteln für die Seele zurückgreifen können; dass wir in den alten Geschichten und Worten unserer christlichen Tradition immer wieder Neues und Weiterhelfendes entdecken.

"Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" auch das für mich in diesen Tagen ein Spickzettel für meine Seele.

Wenn ich es recht betrachte, dann sorgen wir sogar mit dem Tragen von Masken nicht nur für den Körper, sondern auf für die Seele der anderen Menschen. Wir tragen die Masken in erster Linie, um andere nicht anzustecken…; um das Infektionsgeschehen zu verlangsamen. Das ist Sorge für den Körper. Aber wenn unsere Mitmenschen dann gelassener und sorgenfreier leben können, dann ist das doch zugleich auch Sorge für deren Seelen.

In diesem Sinn, ganz liebe Grüße und bleiben Sie behütet,

Ihre Pfarrerin Edda Deuer

Ralf Haunert Samstag, 1. August 2020 von Ralf Haunert

ein Impuls

Urlaub in Deutschland

Dieser Sommer ist anders. So wenig Flugverkehr wie in den letzten Monaten ist selten, eigentlich noch nie dagewesen am Himmel über Gründau, seit ich mit meiner Familie hier lebe. Corona hat der Tourismusbranche ziemliche Einbrüche beschert.

Statt in den sonnigen Süden zu fahren, haben viele sich Urlaubsziele in Deutschland gesucht. Oder bleiben lieber gleich ganz zu Hause.

Mein Lieblingskabarettist Rainald Grebe hat – da war von Corona noch längst nicht die Rede – dem Urlaub in Deutschland einmal sogar ein ganzes Lied gewidmet:

„Urlaub in Deutschland, Urlaub in der Region; sechs Wochen Oderbruch – ich freu mich schon...“

Das Lied spielt mit der recht weit verbreiteten Überzeugung, der Erholungs- bzw. Erlebniswert von Urlaub steige proportional zu der Distanz, die man zwischen sich und zu Hause legt.

Nun hat es unbestritten durchaus etwas für sich, den Urlaub anderswo zu verbringen als daheim. Die Gefahr besteht ja immer, daß man sonst anstelle des Ausspannens die freie Zeit für nichts anderes nutzt, als das abzuarbeiten, was rund um Haus und Garten so alles schon länger liegengeblieben ist bzw. dringend mal in Angriff zu nehmen wäre.

Aber das dann gerade nicht zu tun, ist letztlich ja auch nur eine Entscheidung, die man für sich treffen muß.

Ich jedenfalls meine, daß auch ein Urlaub, der nicht in die Ferne führt, viel Schönes und auch Neues und Spannendes zu bieten vermag. Und ob ein Tag am überlaufenen Strand wirklich in jedem Falle den auf dem eigenen Balkon schlägt, ist ja doch die Frage. – Es hinge zumindest mit davon ab, ob man letzteres zu genießen versteht. Und daß ersteres, wenn man ehrlich ist, auch nicht unbedingt einen völlig ungetrübten Genuß darstellt, ist eben auch wahr.

„Deutschland hat viel zu bieten“, singt Rainald Grebe,  „von den Alpen bis zum Meer; das Land der Kago-Öfen und von Sanifair...“ und meint das natürlich nicht ganz ernst.

So kann dieser Sommer tatsächlich Gelegenheit sein, das scheinbar sattsam Bekannte noch einmal ganz neu kennenzulernen und in seiner Schönheit (neu) zu entdecken.
Ich weiß, daß viele das auch in den vergangenen Monaten ja schon ausgiebig getan haben: Wanderungen, Radtouren – gerade Familien mit Kindern haben das gemacht, als Schulen und Kindergärten geschlossen waren. Wir mit unseren drei Kindern auch.
Aber ich glaube, alles, was es wert wäre, mal gesehen zu werden in Spessart, Rhön und Vogelsberg, haben wir trotzdem noch nicht gesehen. Vom Oderbruch ganz zu schweigen...

Wo und wie immer Sie Ihren restlichen Sommer auch verbringen mögen – ich wünsche Ihnen eine gute Zeit: Tage mit interessanten Erlebnissen und Begegnungen. Tage, die gehabt zu haben Sie am Abend mit Freude und Dankbarkeit erfüllt.

Bleiben Sie behütet!

Kerstin Berk Sonntag, 26. Juli 2020 von Kerstin Berk

Wege durch die Wüste

Murren ist erlaubt

Eine Befreiung und ein schwerer Weg durch die Wüste sind heute am 7.Sonntag nach Trinitatis Thema und da sehe ich manche Parallelen, zu dem was wir gerade erleben. Der Auszug aus Ägypten: Nach jahrelanger Sklaverei wurde das Volk Israel von seinen Anführern Mose und Aaron aus Ägypten herausgeführt. Endlich raus und doch erst ganz am Anfang des Weges durch die Wüste. Heiß ist es, staubig, karg. Und es geht immer noch ums Überleben und um den Kontakt zu Gott. Langatmig ist das Unternehmen, nervig und scheinbar endlos.

Das Volk murrt, macht Mose verantwortlich für den beschwerlichen Weg, sehnt sich zurück, keiner hat mehr Lust auf diese Mistwüste.

Das murrende Gottesvolk. Da steigen manche Bilder auf. Vielleicht zuerst die aus den Bibelfilmen, das Epos vom Auszug und dem endlosen Menschzug durch die Wüste, in flirrender Hitze mit zunehmenden Aggressionen.

Vielleicht fallen ihnen auch andere Wege ein, eigene, die strapaziös waren. Oder die Fahrten in den Urlaub mit den Kindern, die ab dem Frankfurter Kreuz fragen: Wann sind wir endlich da? Und irgendwann, trotz der Brote, der Lieder, der Spiele nur noch motzen und genervt sind.

Oder der Weg, auf dem wir und gerade befinden durch eine weltweite Krise hindurch. Die Demonstranten, die gegen diesen Weg der Vorsicht sind. Die feiernden Horden, die ganz schnell versuchen alles hinter sich zu lassen. Die Vielen, die sich dahinschleppen und einfach nur noch wollen, dass diese Pandemie endlich vorbei ist. Ein langer und mühsamer Weg – solche Wege mussten Menschen zu allen Zeiten irgendwie bewältigen.

Die Israeliten lehnen sich auf gegen ihre Anführer – da ist Wut und Enttäuschung im Spiel. Was für ein Plan soll das hier Bitteschön sein? Ist das glaubwürdig? Dürfen wir da nicht mehr demokratisch mitbestimmen, wo es langgehen soll? Und überhaupt: wo ist eigentlich Gott?

Das Volk murrt, laut und lauter. Und die gute Nachricht ist: Gott wendet sich deshalb nicht ab. Murren darf sein, Fragen dürfen sein. Gott bleibt dabei, versorgt alle mit Manna und Wachteln. Das ist eine wunderbare Sache auf diesem Weg. Dieser Beistand hilft, um in sich selbst die Energie zu finden, um weiterzugehen, auch wenn das Ende noch nicht absehbar ist. Aber so ganz, teilen nicht alle diese Einschätzung. Der Weg geht ja doch immer noch weiter, braucht Disziplin, Kraft, langen Atmen. Reicht da Gottes Beistand aus, um irgendwann anzukommen?

Ja, das kommt uns sehr bekannt vor. Unsere Wüste. Die Ausbreitung der Erkrankung, immer noch unzählige Tote, der Lockdown, der Verlust vieler Sicherheiten, auf die wir selbstverständlich gezählt haben. Unsere Wüste: Homeoffice mit Kindern, Kontaktsperren, keine Kultur. Der Urlaub, nicht wirklich frei und leicht. Die Angst vor der zweiten Welle. Nein, wir sind noch nicht am Ziel.

Meine Hoffnung ist, dass Gott uns heute in unseren Wüsten genau so wenig alleine lässt wie die Söhne und Töchter Israels damals. Meine Hoffnung ist, dass es im Murren und Klagen Momente gibt, wo wir Gottes wohltuenden Beistand fühlen: unterwegs in wunderbarer Natur, bei einem guten Buch, einem freundlichen Telefonanruf oder einem köstlichen Essen. Manna für die Seele – danach strecken wir uns aus. Und haben neben all den Wüstenwegen doch auch Oasen gefunden: Entschleunigung, Zeit für Kontakte mit alten Bekannten, klares Wasser und wohltuende Stille.

Es geht immer wieder um Gottvertrauen und das ergibt sich nicht so von selbst. Das fällt zwar vom Himmel, aber manchmal nicht grade vor unsere Füße. Und Gottvertrauen, das gibt es nicht auf Vorrat. Davon bekommt man, wenn man Herz und Augen offenhält, jeweils, soviel, wie man braucht. Wir müssen auf dem Weg durch die Krise aufmerksam sein. Und wir dürfen gewiss sein: Gott ist da, auch für unsere Klage und Verzweiflung. Es lohnt sich, darauf zu setzen und zu erleben: auch in den fernsten Ferne ist Gott nah und ansprechbar.

Gott segne die Erde, auf der Ihr steht.

Gott segne den Weg, den Ihr geht.

Gott segne das Ziel, das Ihr sucht

und mit Gottes Hilfe finden werdet.

Geht in Frieden. AMEN

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